Deutschlands wichtigster Fahrradlieferant 21.02.2020, 12:53 Uhr

Fahrräder aus Kambodscha bleiben günstig - Handelsstreit eskaliert trotzdem

Die EU-Kommission gewährt Kambodschas Fahrradherstellern weiter bevorzugten Zugang zum EU-Markt, verhängt aber Sanktionen gegen andere Güter. Kambodscha antwortet scharf.
Hun Sen, Premierminister von Kambodscha
(Quelle: EBMA)
Die EU hat in der Debatte um das Ende der Zollvorzüge für Kambodscha (SAZbike berichtete) Fahrräder von den Sanktionen ausgenommen. Das Land ist Deutschlands wichtigster Liefrant für unmotorisierte Fahrräder. Zwar hat die EU einen Teil der Zollpräferenzen, die Kambodscha im Rahmen der Handelsregelung „Everything But Arms“ (EBA – Alles außer Waffen) gewährt worden waren, zurückgenommen. Dies betrifft aber nur Kleidung, Schuhe, Reiseartikel und Zucker. Das entspricht einem Handelsvolumen von 1 Milliarde Euro, also etwa einem Fünftel der jährlichen kambodschanischen Ausfuhren in die EU. Sofern das Europäische Parlament und der Rat keine Einwände erheben, wird die Maßnahme am 12. August 2020 wirksam.
Die EU Kommission erklärte dazu auf ihrer Webseite, dass schwerwiegende und systematische Verstöße gegen die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerten Menschenrechtsgrundsätze ausschlaggebend gewesen seien. Der so genannte Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Europäischen Kommission, Josep Borrell‚ erklärte: „Die Dauer, der Umfang und die Auswirkungen der Verstöße Kambodschas gegen das Recht auf politische Teilhabe sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit haben der Europäischen Union keine andere Wahl gelassen als die Handelspräferenzen teilweise zurückzunehmen. Die Europäische Union wird nicht tatenlos dabei zusehen, wie Demokratie ausgehöhlt, Menschenrechte beschnitten und die freie Debatte zum Schweigen gebracht werden. Der heutige Beschluss spiegelt unser starkes Engagement für das kambodschanische Volk, seine Rechte und die nachhaltige Entwicklung des Landes wider.“ Die Handelspräferenzen können nur dann wieder eingeführt werden, wenn die kambodschanischen Behörden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
EU-Handelskommissar Phil Hogan ergänzte: „Die Europäische Union ist entschlossen, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Kambodschas mithilfe von Handelspräferenzen zu unterstützen. Die Achtung der Menschenrechte ist jedoch für uns nicht verhandelbar. Wir erkennen die von Kambodscha erzielten Fortschritte an, es bestehen jedoch nach wie vor ernsthafte Probleme. Unser erklärtes Ziel ist es, dass die kambodschanischen Behörden den Verstößen gegen die Menschenrechte ein Ende setzen, und wir werden weiter mit ihnen gemeinsam darauf hinarbeiten.“
Mit diesem Beschluss reagiert die Kommission nach eigener Darstellung auf die bezichtigten Menschenrechtsverletzungen, die das Verfahren ausgelöst haben sollen und wahrt nach eigener Darstellung gleichzeitig das Entwicklungsziel des EU-Handels. Daher wird anerkannt, dass die wirtschaftliche Entwicklung Kambodschas und die Diversifizierung seiner Exporte weiterhin unterstützt werden müssen. Allen aufstrebenden Industriezweigen in Kambodscha wird weiterhin zoll- und kontingentfreier Zugang zum EU-Markt gewährt. Dasselbe gilt für Kleidung mit hoher Wertschöpfung und bestimmte Arten von Schuhen.
Dem Beschluss der Kommission sei ein eingehender Austausch mit der kambodschanischen Regierung und Interessenträgern vorausgegangen. Insbesondere haben die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst in den letzten zwölf Monaten Informationsreisen nach Kambodscha unternommen und mehrere Treffen mit den kambodschanischen Behörden sowohl auf technischer als auch auf politischer Ebene abgehalten. Seit Beginn des Rücknahmeverfahrens im Februar 2019 seien keine nennenswerten Fortschritte verzeichnet worden.
Die Kommission erkennt jedoch die von den kambodschanischen Behörden unternommenen Schritte an, vor allem im Bereich der Arbeitnehmer- und der Landrechte. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Bedenken, besonders im Zusammenhang mit den ungelösten zivil- und Strafverfahren gegen Gewerkschafter.
Die Europäische Union weist erneut darauf hin, dass die kambodschanische Regierung den politischen Raum im Land wieder öffnen, die erforderlichen Voraussetzungen für die Wiedereinführung einer nach EU-Standards glaubwürdigen Opposition schaffen und einen demokratischen Prozess der nationalen Aussöhnung mit einem echten und alle Seiten einbeziehenden Dialog einleiten muss. Darunter fallen auch die Wiederherstellung der politischen Rechte der Oppositionsmitglieder und die Aufhebung und Überarbeitung von Rechtsvorschriften wie dem Gesetz über politische Parteien und dem Gesetz über Vereine und Nichtregierungsorganisationen.
Die EU ist Kambodschas größter Handelspartner mit einem Anteil von 45 Prozent an den kambodschanischen Exporten im Jahr 2018. Damals belief sich der Gesamtwert der Ausfuhren aus Kambodscha in die EU auf 5,4 Milliarden Euro und hatte sich damit seit 2013 (2,5 Mrd. Euro) mehr als verdoppelt. 95,7 Prozent dieser Exporte fielen unter EBA-Präferenzen für den Zugang zum EU-Markt (d. h. 5,2 Milliarden Euro bei einem Gesamtvolumen von 5,4 Milliarden Euro).
Das Everything But Arms-Programm gehört zu den Präferenzregelungen der EU. Damit wird Ländern, die von den Vereinten Nationen als am wenigsten entwickelte Länder eingestuft werden, zoll- und kontingentfreier Zugang zum EU-Markt für alle Waren außer Waffen und Munition gewährt. Voraussetzung für die Gewährung dieser Präferenzregelungen ist die Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten. Soweit der Standpunkt der Europäischen Kommission, der von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch gelobt wird.
Kambodscha kritisiert EU
Doch daran regt sich auch Kritik. Kambodschas Premierminister Hun Sen entgegnet: „Wir werden uns niemandem beugen. Wir wollen Freunde und Partner aller Länder der Welt sein, aber wenn diese uns nicht verstehen und uns zu etwas zwingen wollen, dann sind wir damit nicht einverstanden.“
Betroffen wären erst einmal die einfachen Arbeiter in den Fabriken. Wenn es denn überhaupt soweit kommt - das Vakuum nämlich, das die EU in Kambodscha hinterlässt, wird wohl von China gefüllt. So hat China nach Angaben der kambodschanischen Zeitung Khmer Times bereits zugesagt, die Einbußen für Kambodscha auszugleichen. Dazu kommen Zweifel an den Motiven der EU durch die im letzten Jahr beschlossene Rüstungspartnerschaft mit Kambodschas Nachbarstaat Vietnam, der bisher auch nicht durch Menschenrechte nach EU-Standards aufgefallen ist.
Auch Asien-Experten äußern Bedenken zur Wirksamkeit der Maßnahmen: Dadurch verbaue sich die EU ihren Zugang zur südostasiatischen Organisation ASEAN (diese ist nur im weiteren Sinne mit der EU vergleichbar). So hätten etwa Malaysia und Indonesien bereits 2019 als Reaktion auf EU-Sanktionen gegen die in diesen Ländern sehr wichtige Palmölindustrie ihre ASEAN-Partner überzeugt, eine engere Partnerschaft zur EU abzulehnen.
Die EU Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst wollen weiterhin mit Kambodschas Behörden zusammenarbeiten und die Menschenrechte und die Arbeitnehmerrechte im Land aufmerksam beobachten. Sollte Kambodscha erhebliche Fortschritte insbesondere bei den bürgerlichen und politischen Rechten erzielen, kann die Kommission ihre Entscheidung überprüfen und die Zollpräferenzen im Rahmen der EBA-Regelung wieder einführen.


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