Deutschlands wichtigster Fahrradlieferant 06.03.2019, 09:49 Uhr

EU prüft Aufhebung von Zollvergünstigung für Kambodscha

Die EU prüft die Abschaffung von Handelsvorteilen für Kambodscha. Dies kann sich massiv auf die Handelsströme der deutschen Fahrradwirtschaft auswirken, da von dort die meisten Importfahrräder ohne Motor kommen.
Hun Sen, Premierminister von Kambodscha
(Quelle: EBMA)
Die Kommission der Europäischen Union hat den Handelspartner Kambodscha informiert, dass Handelsvorteile wie zollfreier Export von Waren in die EU gestrichen werden könnten. Als Grund gibt die EU die Menschenrechtslage und das Rechtssystem in dem südostasiatischen Land an. Premierminister Hun Sen war nach der Wahl im Juni 2018 gegen Oppositionelle vorgegangen. Die teilte die Herstellervereinigung European Bicycle Manufacturers‘ Association (EBMA) mit.
Die EU-Kommission berichtet, dass sie nach intensiver Recherche, auch vor Ort in Kambodscha, und darauf folgenden diplomatischen Gesprächen auf höchster Ebene zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es Beweise für ernsthafte und systematische Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen in Kambodscha gebe. Nun folge eine zwölfmonatige Beobachtungsphase, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werde. Dies sei die letzte Gelegenheit für Kambodscha, den Entzug der Handelsprivilegien zu vermeiden.  Es obliege der Kommission, ob und für wie lange diese Privilegien dann entzogen werden würden.
Dies könnte die Handelsströme der deutschen Fahrradbranche grundlegend ändern. Kambodscha ist nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) in den letzten Jahren zum wichtigsten Fahrradlieferanten (ohne Pedelecs) für Deutschland aufgestiegen: Mit einem Importanteil von 23 Prozent ist der südostasiatische Staat die klare Nummer 1 unter den Herkunftsländern vor Polen (13 Prozent), Bulgarien (11 Prozent), den Niederlanden und Taiwan (je 6 Prozent). Ursache ist auch, dass Kambodscha zollfrei in die EU exportieren darf, im Gegensatz zu Nachbarländern mit ähnlich günstigen Produktionskosten wie China. Dieser Handelsvorteil war im Rahmen des Programms „Everything but Arms“ (Alles außer Waffen) gewährt worden. Profitieren könnten osteuropäische Länder wie Ungarn, Rumänien, Polen oder Bulgarien, die in den letzten Jahren zu bedeutenden Fahrrad- und Pedelecproduzenten aufgestiegen sind. Bereits der Strafzoll auf chinesische Pedelecs hat zu Produktionsverlagerungen aus China in osteuropäische EU-Staaten geführt. So wie bereits bei der Entscheidung zu Pedelecs aus China könnten also wieder die EBMA-Mitglieder profitieren.
Kambodscha wäre nach Myanmar, Weißrussland und Sri Lanka das vierte Land, dem Handelssanktionen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen auferlegt werden. Höhere Zölle wären auch ein Problem für Kambodschas Textilhersteller und die Reisbauern, zwei dort wichtige Wirtschaftszweige. Etwa 40 Prozent der Exporte gingen nach Europa.
Federica Mogherini, ehemalige Außenministerin Italiens und hochrangige Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, sagte, dass Kambodscha zwar einige Politiker, zivile Aktivisten und Journalisten aus dem Gefängnis entlassen habe, aber Kambodschas Privilegien im Rahmen des EBA-Programms trotzdem aufgrund der allgemeinen Lage hinterfragt werden müssten.
Kambodschas Regierungssprecher Phay Siphan beantwortete die Frage, ob Kambodscha weitere Schritte unternehmen würde, um die Sorgen der EU um die Menschrechte zu bereinigen, vieldeutig: „Die Europäische Union hat die Möglichkeit, uns die Privilegien zu entziehen oder eben nicht. Wir erwarten allerdings fortgesetzte Zusammenarbeit als Partner. Als solche können wir einige Kompromisse eingehen. Einmischung in unsere Souveränität können wir aber nicht akzeptieren. Wir können es schlicht nicht.“



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