Polizeistatistik aus Hannover 23.08.2021, 12:28 Uhr

Zunehmender Radverkehr verursacht immer mehr Unfälle

Die Polizei Hannover stellt eine Unfallstatistik für den Radverkehr vor: Danach sind  Radfahrerinnen und Radfahrer in wachsendem Ausmaß an den steigenden Unfallzahlen schuld.
Die Anzahl der Verkehrsunfälle (blau) steigt. Immer öfter sind Radfahrerinnen und Radfahrer schuld (rot).
(Quelle: Polizei Hannover / Nivadis)
Hannover will den Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr von derzeit 13 Prozent auf 25 Prozent bis 2025 steigern. Ein zunehmendes Problem dabei ist die wachsende Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern und Radfahrerinnen: Seit 2011 ist diese um 523 (25 Prozent) gestiegen, und zwar auf 2.616 Unfälle im Jahr 2020. Davon wurden 59 Prozent von den Radfahrenden verursacht (2011: 35 Prozent).
Die Anzahl der bei diesen Unfällen beteiligten Radfahrerinnen und Radfahrer stieg auf 2.884 Personen (plus 604 oder 26,5 Prozent). Davon wurden 77 Prozent leicht, schwer oder tödlich verletzt. Unfällen ohne Personenschaden werden oft nicht polizeilich erfasst. Auffällig ist, dass 2020 bereits 49 Prozent Unfälle mit Personenschäden von Radfahrerinnen und Radfahrern verursacht wurden (2011: 25,8 Prozent). 2020 stieg der Anteil der Radfahrenden als Unfallverursacher gleich um 445 Personen (plus 69 Prozent) im Vergleich zu 2019 (2.433).
Hauptunfallursachen
Unter den 1.549 Radfahrerinnen und Radfahrern, die Unfälle verursachten, wurde bei 160 als Ursache Alkohol festgestellt (anteilig seit 2011 konstant). 133 fuhren auf der falschen Seite. 117 fuhren falsch in den Verkehr ein. Je 42 machten Fehler beim Abbiegen und an der Ampel. 34 missachteten die Vorfahrtsregeln. 32 missachteten die Rechts-vor-Links-Regel. Häufigste Unfallursache war damit auch bei Radfahrern der übliche Grund „anderer Fehler“. „Diese eher unspezifische Unfallursache erfasst in der Regel einen Unfallhergang, der nicht klar einer anderen Unfallursache zugeordnet werden kann“, so die Polizei Hannover.
Im Winter knallt es zunehmend
Die Zahl der Unfälle wächst ganzjährig. Besonders im ersten (plus 43 Prozent / plus 113) und dritten Quartal (plus 44 / plus 282) haben sich die Unfälle unter Beteiligung des Radverkehrs seit 2011 deutlich erhöht. Für den Januar ergibt sich in den letzten zehn Jahren eine Steigerung um 116 Prozent (plus 80). Der Fachhandel weiß längst: Die Kundschaft fährt zunehmend ganzjährig. 
Grundsätzlich ist von Montag bis Freitag eine vergleichbare Anzahl an Verkehrsunfällen unter Beteiligung des Radverkehrs erkennbar. Für das Wochenende sind geringere Werte festzustellen, die in den letzten vier Jahren aber kontinuierlich angewachsen sind. Die meisten Unfälle ereignen sich am Nachmittag.  
Verteilung nach Altersklassen
Bei der Verursachung von Verkehrsunfällen ist bei allen Altersklassen eine deutliche Zunahme zu erkennen. Auffällig dabei ist, dass beispielsweise Erwachsene im Jahr 2011 noch 26 Prozent, im Jahr 2020 jedoch schon 49 Prozent der Verkehrsunfälle verursachten. Bei den durch Verkehrsunfälle getöteten Radfahrenden sind Alte deutlich überrepräsentiert. Die Polizei Hannover erklärt dies körperlichen Einschränkungen, etwa Vorerkrankungen und Komplikationen im Heilungsverlauf. Auffällig ist, dass in Bezug auf Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten die Anzahl der betroffenen Alten (plus 55 Prozent / plus 31) und Erwachsenen (48 Prozent / plus 48) in den letzten zehn Jahren sehr deutlich gestiegen ist, während die übrigen Altersklassen auf einem vergleichbaren, deutlich niedrigeren Niveau verbleiben. Dies mit der verstärkten Nutzung von Pedelecs als Teil des Radverkehrs, insbesondere durch finanzstärkere, höhere Altersklassen, zu erklären. Männer sind mit 60 Prozent häufiger an Verkehrsunfällen im Radverkehr beteiligt als Frauen mit 37 Prozent und überwiegen auch als Verursachende.  
Verkehrsunfallentwicklung Pedelec
Die erst seit 2013 gesondert erfassten Verkehrsunfälle unter Beteiligung eines Pedelecs haben sich seitdem um 739 Prozent (plus 325) vervielfacht. Dabei handelt es sich aber im Vergleich zum Radverkehr noch um eine geringe Gesamtanzahl von Verkehrsunfällen (2020: 14 Prozent aller Verkehrsunfälle unter Beteiligung des Radverkehrs), doch dieser Bereich wird immer wichtiger für die Verkehrssicherheit, das weiß die Polizei. Bei 53 Prozent dieser Unfälle waren die Elektroradfahrerinnen und -fahrern schuld. Im Jahr 2013 lag dieser Wert noch bei 41 Prozent.
Verteilung nach Jahreszeit, Wochentag und Tageszeit 
Etwa zwei Drittel der Pedelec-Unfälle ereignen sich im Sommer. Die Anzahl der Unfälle im Winter hat aber in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Im ersten Quartal 2013 wurde ein Unfall erfasst, im Jahr 2020 belief sich deren Anzahl im Vergleichsquartal bereits auf 51. Dieser Trend wird bei einer Betrachtung der klassischen Wintermonate noch deutlicher: Während im Jahr 2013 im Januar und Februar noch kein Verkehrsunfall unter Pedelec-Beteiligung erfasst wurde, so sind es im Jahr 2020 bereits jeweils 16.
Im Gegensatz zum gesamten Radverkehr verunfallen Pedelec-Fahrer auch an Wochenendtagen fast so oft wie an Werktagen. Eine eindeutige Häufung ist bei Verkehrsunfällen im Pedelec-Verkehr ist am Vor- und insbesondere am Nachmittag zu erkennen. Arbeitspendler.
Pedelec-Fahrer sind älter und verletzen sich schneller
Die Anzahl der an einem Verkehrsunfall beteiligten Pedelec-Fahrenden hat seit 2013 sehr deutlich zugenommen (plus 418 Prozent / plus 323). Zudem verletzten sich Pedelec-Fahrer bei Unfällen leichter als andere Radfahrer. Auch dies steht sicher in einem Zusammenhang zum hohen Alter der E-Radfahrenden.
Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer verursachten etwa die Hälfte der Unfälle mit Personenschäden, an denen sie beteiligt waren. Hauptunfallursachen waren auch hier „andere Fehler“ (36 Prozent), also auch Überforderung mit dem E-Rad, etwa dem hohen Gewicht. Die Anzahl der alkoholisierten Unfallverursachenden auf Pedelecs ist gering und liegt etwa liegt auf dem Niveau des Radverkehrs. Unter den Pedelec-Nutzern kamen mit einer Ausnahme bisher nur Senioren ums Leben. Die Zahl Schwer- und Leichtverletzter hat sich bei Senioren und Erwachsenen seit 2013 vervielfacht.
Radverkehrspolitik ist nicht Aufgabe der Polizei, daher muss die unzureichende Infrastruktur in der Statistik keine Rolle spielen. Sicher sind bessere Radwege aber ein wesentlicher Faktor für mehr Verkehrssicherheit, auch in Hannover. Ferner gilt es anzumerken, dass trotz steigender Unfallzahlen Radverkehr sogar sicherer geworden sein kann, sofern das Radverkehrsaufkommen noch stärker steigt als die Unfallzahlen.
Die vollständige Polizeistatistik findet sich hier.


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