Fahrrad-Infrastruktur
17.07.2025, 08:30 Uhr
Studie zeigt, was den Fuß- und Radverkehr wirklich antreibt
Der Ausbau von Fahrradwegen bringt messbare Effekte für Gesundheit und Klimaschutz.Selbst Städte ohne „Kopenhagen-Standard“ profitieren von kluger Infrastruktur. Was das für Kommunen und Branche bedeutet, lesen Sie hier.
Jeder zusätzliche Kilometer an Radwegen erhöht das jährliche Radverkehrsvolumen um etwa 13.400 Kilometer.
(Quelle: Haibike, PD-F)
Eine neue globale Studie belegt die positiven Effekte von Rad- und Fußverkehr auf Klima und Gesundheit. Die Untersuchung des Forschungsteams um Adam Millard-Ball von der University of California (UCLA) in Los Angeles basiert auf Mobilitätsdaten aus über 11.000 Städten weltweit. Der wichtigste Hebel: urbane Dichte. Je dichter die Stadt, desto höher der Anteil aktiver Mobilität – weil Wege kürzer und Alternativen zum Auto attraktiver werden.
Bessere Radinfrastruktur stärkt auch den Fußverkehr
Zweitwichtigster Faktor ist die Infrastruktur. Jeder zusätzliche Kilometer an Radwegen erhöht das jährliche Radverkehrsvolumen im Median um etwa 13.400 Kilometer. Auch Fußverkehr profitiert von Radinfrastruktur – weil sie meist mit besseren Querungen, Verkehrsberuhigung und sichererem Design einhergeht.
Interessanterweise spielt das Klima nur eine untergeordnete Rolle. Weder Hitze noch Kälte wirken sich stark auf die Gesamtmenge an Fuß- oder Radverkehr aus – wohl aber hügelige Topografie, insbesondere beim Radfahren.
Auch der Benzinpreis beeinflusst das Mobilitätsverhalten deutlich: Steigende Preise korrelieren mit mehr Rad- und Fußverkehr. In Ländern mit höherem Einkommen ist zudem der Zusammenhang zwischen Dichte und aktivem Verkehr stärker ausgeprägt – dort steigen Menschen eher aufs Rad, wenn die Infrastruktur stimmt.
Für die Fahrradbranche ergeben sich daraus klare Botschaften: Wo Städte in Radwege investieren und urbane Dichte zulassen, wächst der Radverkehr – und damit der Markt für Fahrräder, Zubehör und Services. Laut Studie ließen sich durch eine globale Annäherung an das Kopenhagener Infrastrukturniveau rund sechs Prozent der CO₂-Emissionen des motorisierten Verkehrs einsparen. Zusätzlich könnten jährlich Gesundheitskosten in Höhe von 435 Milliarden US-Dollar vermieden werden.
Investitionsstau in Deutschland
Der ADFC fordert mehr Tempo beim Ausbau der Radinfrastruktur. Jahrzehntelang sei hier zu wenig investiert worden – es brauche zügig Verbesserungen, sagte ADFC-Bundesgeschäftsführerin Caroline Lodemann bereits im Frühjahr mit Blick auf das Infrastrukturpaket der Bundesregierung: „Der Investitionsstau bei der Radverkehrsinfrastruktur ist enorm, jahrzehntelang ist hier nicht genug passiert. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert.“ Nötig seien Planungssicherheit, verlässliche Finanzierung und eine zielgerichtete Mittelverwendung für ein flächendeckendes, sicheres Radwegenetz.
Aktuelle Entwicklungen in deutschen Städten unterstreichen die Einschätzung der Forscher, dass gute Infrastruktur mehr Menschen aufs Rad bringt. So verzeichnet Münster nicht nur einen Modal Split, also die Aufteilung aller Wege auf verschiedene Verkehrsmittel, von 44 Prozent für den Radverkehr, sondern auch die höchste Dichte an Fahrradhändlern in Deutschland.
In München wurde der Radverkehrsanteil seit 2002 mehr als verdoppelt – auch dank des Ausbaus auf 96 Fahrradstraßen und verstärkter finanzieller Förderung ab 2020.
Stuttgart wiederum führt das Ranking der radpendlerfreundlichsten Großstädte an, mit umfangreichem Wegenetz, sicheren Abstellmöglichkeiten und der kostenlosen Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr.
Münster, München und Stuttgart zeigen, dass starke lokale Nachfrage dort entsteht wo Radwege, Fahrradstraßen und gute Verknüpfung mit ÖPNV vorhanden sind.
Die bisher größte Datenanalyse ihrer Art unterstreicht: Infrastruktur, Siedlungsdichte und kluge Planung sind die Schlüssel, um aktiven Verkehr zu fördern. Für Handel und Hersteller bietet das neue Argumente – und Perspektiven weit über die klassischen Fahrradmetropolen hinaus.
Handlungsempfehlungen
- Fokus auf Ballungsräume richten: Städte mit hoher Bebauungsdichte bieten langfristig Wachstumspotenzial.
- Infrastruktur stärken: Mehr und sichere Radwege erhöhen direkt das Verkehrsvolumen.
- Netzwerke fördern: Fahrradstraßen, ÖPNV-Verknüpfung und Bike‑&‑Ride-Stationen erhöhen die Alltagsrelevanz.
- Kommunikation und Argumente: Hersteller und Händler können mit Studienergebnissen und bundesweiten Studien bei Kommunen punkten.