Tuning 08.01.2024, 12:43 Uhr

Ernst Brust: S-Pedelec-Markt wächst illegal

Was macht man mit einem Tuning-Kit zur Umrüstung von Pedelecs zu S-Pedelecs? Man rüstet Pedelecs zu S-Pedelecs um. Ernst Brust meint: Die Verkaufszahlen lassen keinen anderen Schluss als eine blühende Tuning-Szene zu.
Ernst Brust
(Quelle: Privat)
Ernst Brust, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Mikromobilität, meint: „Das S-Pedelec ist in Deutschland viel beliebter als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Es findet aber im Verbotenen statt.“ Diesen Schluss zieht Brust aus der Beobachtung von Gerichtsprozessen, bei denen es auch um illegales Pedelec-Tuning geht.

Geringes Risiko der Entdeckung

Er vermutet: „Die Tuning-Kits sind zwar illegal, aber das nehmen Verbraucher eben in Kauf, um alle Pflichten des Kleinkraftrads, also Helmpflicht, Kennzeichenpflicht und Führerscheinpflicht zu umgehen und die Privilegien des Fahrrads, etwa die Radwegnutzung, zu genießen. Vielleicht ist auch das Risiko aufzufliegen sehr gering.“
Brust beziffert den gesamten Verkauf von Tuning-Kits verschiedener Anbieter in Deutschland wie folgt: 
  • 2018: 50.000 Tuning-Kits bei 1,0 Millionen Pedelecs, also 5 Prozent getunte Pedelecs 
  • 2019: 70.000 Tuning-Kits bei 1,4 Millionen Pedelecs (5 Prozent)
  • 2020: 200.000 Tuning-Kits bei 2,0 Millionen Pedelecs (10 Prozent)
  • 2021: 140.000 Tuning-Kits bei 2,0 Millionen Pedelecs (7 Prozent)
  • 2022: 265.000 Tuning-Kits bei 2,2 Millionen Pedelecs (12 Prozent)
Die Verkaufszahlen für Tuning-Kits hat Brust aus verschiedenen Quellen bezogen, darunter Aussagen von Tuning-Betrieben und interne Daten des Velotech.de-Gründers, basierend auf Umfragen und Nachfrageanalysen.

Verkauf in Frankreich bereits verboten

Der Verkauf in Deutschland ist erlaubt. Sogar der Umbau der Pedelecs zu S-Pedelecs ist in Deutschland erlaubt. Verboten ist nur die Nutzung der getunten S-Pedelecs im Straßenverkehr. Frankreich geht laut Brust einen Schritt weiter: Seit 2020 sei es in Frankreich verboten, die Unterstützungsleistung von Pedelecs und S-Pedelecs über die gesetzliche Grenze jenseits von 25 und 45 Stundenkilometern zu erhöhen. Das neue Gesetz sehe Geldstrafen bis 30.000 Euro und sogar Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr Haft vor.
Brust sieht in den restriktiven Maßnahmen in Frankreich ein bewährtes Mittel zur Eindämmen von illegalem Tuning: „Eine alternative Herangehensweise zur mühsamen Identifikation getunter E-Bikes wäre ein Verkaufsverbot wie in Frankreich. Hilfreich wären außerdem technologische Hilfsmittel für die Polizei, um die Geschwindigkeit der Fahrzeuge effektiv zu überwachen, also Geschwindigkeitsüberwachungssysteme sowie Bluetooth-Schnittstellen an den Pedelec-Motoren, mit denen die Polizei die Software auslesen kann. Letztendlich liegt es an Antriebsherstellern und politischen Entscheidungsträgern, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.“

Branchenverbände: Gesetze bremsen S-Pedelecs

Die Fahrradbranche erklärt sich die im Vergleich zur Schweiz oder Belgien geringen Anteil des S-Pedelecs am gesamten Elektroradverkauf mit den in Deutschland nachteiligen Gesetzen: Die Pflichten umfassen Typgenehmigung, Helmpflicht, Versicherungspflicht, Kennzeichenpflicht, und Führerscheinpflicht. Zudem muss man auf der Straße fahren, der Radweg ist verboten. Verbände wie der ZIV arbeiten darum an ähnlichen rechtlichen Bedingungen wie in Belgien, um den Verkauf von S-Pedelecs zu fördern.



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