HDE-Prognose 24.10.2022, 11:16 Uhr

Innenstädte: Weitere Rückschläge für den stationären Einzelhandel erwartet

Erst dümpelten die Umsätze vieler Geschäfte in der Pandemie. Jetzt ist die Kauflaune wegen der Inflation im Keller. Vor allem die Innenstädte kämpfen gegen die Verödung und suchen händeringend nach frischen Ideen.
(Quelle: Shutterstock/Christian Schwier)
Steigende Energiekosten und Umsatzausfälle wegen der Konsumflaute bringen den stationären Einzelhandel weiter unter Druck. Vor allem in den Innenstädten könnte sich das Ladensterben in den kommenden Monaten beschleunigen, fürchtet der Handelsverband Deutschland (HDE). Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Milliardenhilfen gegen hohe Energiekosten müssten deshalb auch den Einzelhändlern zugutekommen. „Ansonsten könnten wir ein Desaster in vielen Innenstädten erleben“, sagt ein HDE-Sprecher und mahnt: „Stirbt der Handel, stirbt die Stadt.“ Gerade in der Krise gelte es zudem, mit Investitionen gegenzusteuern.
Einer kürzlich vom HDE veröffentlichten Umfrage zufolge schränken sich bereits 60 Prozent der Verbraucher beim Einkaufen ein, und gut drei Viertel wollen in den kommenden Monaten den Gürtel enger schnallen. Für die gesamte Branche stellt sich der HDE auf ein Umsatzminus von fünf Prozent im zweiten Halbjahr ein - und zwar im Vergleich zu dem bereits pandemiebedingt schwachen zweiten Halbjahr 2021. „In einzelnen Branchen liegt der Umsatz immer noch um bis zu 20 Prozent unter dem Vorkrisenniveau aus 2019“, sagt der Sprecher.

Konzepte gegen den Niedergang

Doch wie lässt sich der Niedergang in den Innenstädten aufhalten, wenn Händler aufgeben müssen? Ideen dafür gibt es zahlreiche, ein auf alle Kommunen übertragbares Patentrezept aber nicht, so der HDE-Sprecher. Dafür seien die Gegebenheiten vor Ort - vom historischen Stadtkern einer touristisch geprägten Kleinstadt bis zur modernen Großstadt - zu unterschiedlich. Hinzu komme: „In der derzeitigen akuten Krise wird das alles noch ein Stück schwieriger. Die Geldtöpfe werden sicherlich erst einmal nicht voller.“ Wenn die Konzepte funktionieren sollten, müssten alle Akteure in den Kommunen zusammenarbeiten - von Rathausspitze über Stadtmarketing, Einzelhandel und Gastronomie bis zu kulturellen Anbietern sowie Bürgerinnen und Bürgern.
In Hessen hatte beispielsweise Hanau mit dem Konzept „Hanau aufLADEN“ von sich reden gemacht. Als Kernelement umfasst es ein Vorkaufsrecht, mit dem sich die Stadt ein Erstzugriffsrecht auf Immobilien in Innenstadtlagen sichert. Davon habe man erst einige wenige Male Gebrauch gemacht, sagt der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky. „Allein dass die Eigentümer wissen, es gibt die Vorkaufsrechtssatzung, gibt uns eine Chance, ins Gespräch zu kommen und vertragliche Vereinbarungen zu schließen, was dort künftig stattfindet.“ Alternativ zum Kauf kann die Stadt auch Immobilien anmieten und an geeignete Unternehmen untervermieten. Weitere Elemente sind ein Konjunkturprogramm zur Aufwertung von Fassaden sowie Zuschüsse für Betreiber neuer Läden.
Mit der Zeit will Hanau so eine Mischung aus inhabergeführtem Handel und Filialisten, aus Gastronomie, Veranstaltungen, Märkten und neuen, kreativen Konzepten wie Pop-up-Handel und -Gastronomie etablieren. Das noch vor der Pandemie auf den Weg gebrachte Konzept werde gut angenommen - trotz der Krise habe es auch in den vergangenen Tagen mehrere Neueröffnungen gegeben, sagt Kaminsky.
Die Stadt im Osten des Rhein-Main-Gebiets ist auch eine von 14 deutschen Modellstädten, die im Projekt Stadtlabore für Deutschland" eine digitale Plattform für Ansiedlungsmanagement erarbeiten. Dazu gehören beispielsweise auch Karlsruhe, Erfurt, Nürnberg, Lübeck und Rostock. Basis für die Plattform seien vielfältige Daten, etwa zu expansionswilligen Unternehmen, zum aktuellen Besatz und leerstehenden Flächen in den Städten, zur Passantenfrequenz und vielen weiteren Themen, sagt Eva Stüber vom Kölner Institut für Handelsforschung. Immobilie sucht Traumnutzung - die Plattform solle wie eine Art „Tinder“ für die Innenstädte funktionieren und deren aktive Gestaltung mit ganzheitlichen Ansätzen ermöglichen.


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