Messbarer Effekt
17.10.2025, 13:00 Uhr
Deutschland gegen Dänemark: Wie Fahrradkultur Mobilität beeinflusst
Warum wird in Dänemark mehr Rad gefahren als in Deutschland – selbst bei ähnlicher Infrastruktur? Eine neue Studie von Forschenden der Universitäten Wuppertal und Kopenhagen zeigt, dass nicht nur Wege und Einkommen zählen, sondern auch eine regionale „Fahrradkultur“.
Kopenhagen gilt weltweit als Vorbild für gelebte Fahrradkultur – die Studie zeigt, warum.
(Quelle: Vaude, PD-F)
Ein internationales Forschungsteam um Leonard Arning von der Bergischen Universität Wuppertal und Mads Paulsen sowie Jeppe Rich von der Technischen Universität Dänemark hat untersucht, warum Menschen in manchen Regionen häufiger das Fahrrad nutzen. Grundlage ist ein gemeinsames Verkehrsmodell auf Basis groß angelegter Befragungen in Deutschland und Dänemark.
Das Ergebnis: Selbst wenn Faktoren wie Einkommen, Alter, Infrastruktur oder Steigungen berücksichtigt werden, zeigen dänische Nutzerinnen und Nutzer eine höhere Grundneigung zum Radfahren. Die Forschenden sprechen von einer „Basispräferenz“ für das Fahrrad, die auf kulturelle Unterschiede hinweist.
Kulturelle Effekte vor allem in Kopenhagen und Hamburg
Besonders auffällig: Nur wenige Regionen weichen deutlich von den Modellprognosen ab – Kopenhagen, das Umland der dänischen Hauptstadt und Hamburg. Diese Städte zeigen laut Studie eine „eigene Fahrradkultur“, die sich nicht allein durch objektive Faktoren erklären lässt.
„Wir messen Fahrradkultur nicht direkt, aber wir nähern uns ihr über Unterschiede zwischen modellierten und tatsächlichen Mobilitätsdaten“, schreibt Arning in seinem LinkedIn-Beitrag. Damit könne man sichtbar machen, wo soziale Normen, Einstellungen und Alltagsroutinen das Verkehrsverhalten prägen.
Infrastruktur oder Kultur – was wirkt stärker?
Die Studie bestätigt frühere Annahmen: Gute Wege allein machen noch keine Radnation. Vielmehr verstärken sich Infrastruktur und Kultur gegenseitig. Wo viele Menschen Rad fahren, wächst auch der politische Druck, Radwege zu bauen – und umgekehrt.
Das Forschungsteam will künftig untersuchen, wie sich kulturelle und materielle Faktoren langfristig gegenseitig beeinflussen, etwa beim Bau von Fahrradwegen oder der Akzeptanz von E-Bikes.
Bedeutung für die Verkehrspolitik
Für Politik und Planung bedeutet das: Verkehrsverhalten ist nicht nur eine Frage der Infrastruktur, sondern auch des gesellschaftlichen Klimas. Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sollten daher symbolische und kommunikative Aspekte stärker einbeziehen – etwa Kampagnen, Bildung oder Stadtgestaltung, die Radfahren als selbstverständlich zeigen.
Die Arbeit erschien im Journal of Cycling and Micromobility Research (Vol. 6/2025) unter dem Titel „Is it cycling culture? Explaining regional bicycle use in Denmark and Germany using a joint trip-level mode choice model“.