Zankapfel Verkehrsplanung 30.10.2020, 12:30 Uhr

Changing Cities kritisiert Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung

Am 1. Oktober hatte die Bundesregierung die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht. Die Radverkehrsinitiative Changing Cities (Berlin) kritisiert diese und fordert eine stärkere Berücksichtigung von verhältnismäßig umweltfreundlichen Verkehrsmitteln.
Changing Cities fordert eine neue Verteilung öffentlicher Flächen (hier die Friedrichstraße in Berlin).
(Quelle: Norbert Michalke / Changing Cities)
Die Organisation Changing Cities betont die Bedeutung der Klimaschutzziele. Gerade im Verkehrssektor müsse die Abweichung zwischen Klimaziel und realen Emissionen überwunden werden. Dementsprechend radikal müssten auch die Maßnahmen für den Verkehrssektor gestaltet werden. Doch der Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie bleibe weit hinter diesen Anforderungen zurück. Der Beschreibung des Transformationsbereichs „Verkehrswende“ werde gerade mal eine halbe von 313 Seiten eingeräumt. Die Eigenständigkeit und Wichtigkeit des Verkehrssektors bleibe unerwähnt. „Die genannten Lösungsansätze sind gemessen an den Möglichkeiten und Erfordernissen kläglich“, so die Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sörensen. Der Fokus auf technologische Hoffnungen und digitale Errungenschaften ignoriere die seit Langem bekannten, schnell umzusetzenden Lösungen für die Verkehrswende: Veränderung des Modal Split durch Ausbau des ÖPNV, Erhöhung des Anteils von Fuß- und Radverkehr durch sichere Infrastruktur sowie Verkehrsvermeidung durch gute Stadt- und Regionalplanung.  
Um eine Transformation im erforderlichen Ausmaß durchzuführen, sei eine gesamtgesellschaftliche Beteiligung zwingend erforderlich. Als zentrales Gremium für die Erarbeitung von Lösungen werde die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) herangezogen. Dabei gebe es bis heute keine Möglichkeit für Bürger oder Organisationen ohne jahrzehntelange Erfahrung, sich an dieser Plattform inhaltlich zu beteiligen. Changing Cities fordert daher: 
Vorrang für den Umweltverbund
Die Prioritäten müssten auf die schnelle Stärkung des Umweltverbunds gelegt werden. Fläche, Finanzmittel, Verwaltungsressourcen und Planungskapazitäten müssten zukünftig vorrangig Fuß-, Fahrrad- und öffentlichem Verkehr zugewiesen werden. Der motorisierte Individualverkehr dürfe nicht länger die Ressourcen binden, die dringend für die Mobilitätswende erforderlich seien.
In allen relevanten Regelwerken wie StVG und StVO müssten der Vorrang des Umweltverbundes gegenüber der Automobilität festgehalten und die übergeordnete Funktion des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung betont werden. Regelwerke für die Planung müssten dahingehend angepasst werden, prioritär für den Umweltverbund geeignete und sichere Infrastruktur zu bauen. 
Die Handlungsfähigkeit der Kommunen im Verkehrswesen müsse mittels bundesweit einheitlicher, zukunftsgerichteter Standards für den Umweltverbund gestärkt werden.
Lückenlose Infrastruktur für die Mobilitätswende
Es braucht ein Netz sicherer Rad- und Gehwege, die Umgestaltung des öffentlichen Raums, den Ausbau und eine erhöhte Taktung des öffentlichen Verkehrs – und zwar im ganzen Land. Der Ausbau des Umweltverbunds muss mit der Stadtplanung integriert gedacht werden.
Mit Instrumenten der integrierten Stadt- und Verkehrsplanung werden lebenswerte Städte mit belebten Innenstädten in wirtschaftlich starken, lokal versorgten Regionen geschaffen. 
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) in seiner jetzigen Ausgestaltung setze weiterhin auf den motorisierten Individual- und Güterverkehr auf der Straße – mit all seinen negativen Konsequenzen. Dafür müssten Mittel aus dem Straßenverkehr umgeschichtet werden. Mit dem aktuellen Prinzip „Erhalt vor Aus- und Neubau“ werde zudem suggeriert, dass die aktuelle Verkehrsinfrastruktur passend sei. Dabei brauche es stattdessen eine Neuausrichtung auf Ausbau von Infrastruktur für den Umweltverbund und Rückbau der Infrastruktur für Kfz-Verkehr. Statt den BVWP 2030 weiterzuverfolgen, soll ein Transformationsplan erstellt werden, welcher die vorhandenen Ressourcen auf Erhalt und Ausbau von Infrastruktur für ÖPNV, Schienenverkehr, Radverkehr und Fußverkehr setzt. Der Neubau von Autobahnen und solchen, die als „im Bau befindlich“ deklariert, aber noch nicht planfestgestellt seien, müssten gestoppt werden.
Notwendige finanzielle Mittel bereitstellen
Die Bundesregierung müsse das für die Mobilitätswende notwendige Geld bereitstellen und beim Aufbau der benötigten personellen Kapazitäten unterstützen. Dazu gehöre die Unterstützung von Kommunen mit Geld zum Aufbau eigener Planungskapazitäten und Beauftragung von Planungsbüros ebenso wie die Unterstützung bei der Finanzierung von Bau von Infrastruktur sowie beim Betrieb des ÖPNV.  
Um die notwendigen Mittel zu generieren, müssten Subventionen wie Dieselvergünstigung, Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg für Kraftfahrzeuge zügig abgebaut werden. Hierdurch würden jährlich Summen in Milliardenhöhe freigesetzt, die dann in den Umbau in Richtung nachhaltiger Mobilität investiert werden können. Auch auf individueller Ebene müssen Bürger bei der Mobilitätswende unterstützt werden. Es brauche bundesweite Kaufprämien für Lastenräder und E-Bikes.


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