Radverkehr 04.03.2021, 13:52 Uhr

Sachsen ersetzt eigenen Radverkehrsetat durch Bundesmittel

Sachsens Bürger wollen Radfahren, sind aber mit den Radwegen unzufrieden. Jetzt gibt der ADFC Sachsen bekannt: Der Freistaat Sachsen nutzt das Klimapaket der Bundesregierung, um das eigene Fördergeld für Radwege zu sparen.
Radfahrer fordern bessere Radwege in Dresden.
(Quelle: ADFC Sachsen)
„Die Menschen wollen mehr mit dem Rad fahren. Damit sie das können, müssen Sachsens Städte dringend sichere und durchgehende Radwegenetze schaffen und bei diesem Thema schneller vorankommen. Umso mehr ärgert es mich, dass der sächsische Verkehrsminister Martin Dulig jetzt die Unterstützung für die Kommunen fast komplett streichen will“, sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen.
Das Verkehrsministerium in Sachsen kürzt laut ADFC in seinem Entwurf zum Doppelhaushalt 2021/22 die kommunale Förderung von 11,7 Millionen Euro auf 2,4 Millionen Euro pro Jahr. „Der Freistaat vergeigt den wichtigen und dringenden den Ausbau des Radnetzes. Die Abgeordneten der Kenia-Koalition müssen die Fehler des Verkehrsministers jetzt korrigieren“, so Krause weiter.
Die Fördergelder aus dem Programm „Stadt & Land“ im Rahmen des Klimapakets der Bundesregierung müssen den Einschnitt nun offensichtlich ausgleichen, so der ADFC Sachsen. Dessen Geschäftsführer Krause ist erschüttert: „Das eigentlich zusätzlich zu bestehenden Programmen vom Bund bereitgestellte Stadt & Land-Programm nimmt die Sächsische Staatsregierung offensichtlich zum Anlass, bei der kommunalen Radwegförderung den Rotstift anzusetzen. Dieser Vorgang ist einmalig und ein Skandal. Uns ist kein Bundesland bekannt, was die Mittel aus dem Klimapaket als Anlass dazu nutzt, eigene Förderprogramme herunterzufahren."
Kommunen schöpfen Fördermittel nicht aus
Das sächsische Verkehrsministerium beantwortete die Anfrage der SAZbike dazu: „Für den kommunalen Radwegebau stehen 2021 insgesamt rund 15 Millionen Euro zur Verfügung (Bundes- und Landesmittel). Landesmittel vorbehaltlich des noch ausstehenden Beschlusses des Doppelhaushaltes 2020/2021. Insgesamt liegen 20 Anträge auf Förderung in ganz Sachsen mit einem Gesamtvolumen von rund 8,9 Millionen Euro zur Bewilligung vor. Da ist also noch Luft nach oben", so das Verkehrsministerium. Anders ausgedrückt: Das Geld steht zur Verfügung, wird aber ohnehin nicht vollständig abgerufen. Bereits in den vergangenen Jahren lagen nämlich nicht genug Förderanträge für Radwege vor, um die verfügbaren Mittel auszuschöpfen, und das zeichne sich dieses Jahr ebenso ab. Die verbliebenen Mittel wurden deshalb für den Straßenbau in Anspruch genommen. Als Ursache nennt das Verkehrsministerium, dass die kommunalen Haushalte mit dem Aufbau und dem Erhalt des Radverkehrswegenetzes trotz der hohen Fördersätze finanziell mit dem Eigenanteil und vor allem personell häufig überfordert seien. 
Der Freistaat fördert daher den Aufbau der „Arbeitsgemeinschaft sächsischer Kommunen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs e. V.“ Die Arbeitsgemeinschaft soll die Aktivitäten der Kommunen im Radverkehr vernetzen und eine Plattform für die Zusammenarbeit zwischen kommunaler Ebene und Freistaat schaffen.
Zu den Bundesmitteln im Rahmen des Sonderprogrammes Stadt und Land des Bundes erklärt das Verkehrsministerium: „Der Bund stellt damit den Ländern bis zum Jahr 2023 Mittel zum Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Bewilligung und Auszahlung der Mittel erfolgen durch die Bundesländer. Da es sich um öffentliche Mittel handelt, ist in der Regel eine Förderrichtlinie Voraussetzung. Im Freistaat Sachsen soll die Bewilligung auf Grundlage der ,Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für die Förderung von Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger, (RL KStB)' erfolgen, in der die Radverkehrsförderung gebündelt wurde. Nach derzeitiger Rechtslage sind Anträge bis zum 31. Oktober für das Folgejahr einzureichen. Darüber hinaus hat das BMVI ein neues Förderprogramm für überregionale Radwege angekündigt.“
Sachsens Bürger nennen Radnetz als größtes Problem nach hohen Mieten
Krause bezieht sich auf eine Umfrage sächsischer Städte. Diese befragen zufällig ausgewählte Einwohner regelmäßig, unter anderem zu Mobilität und ihren Wünschen zum städtischen Verkehr. Die letzten Ergebnisse aus Chemnitz, Dresden und Leipzig interpretiert der ADFC so, dass das Fahrrad wichtiger wird, aber immer mehr Menschen mit dem Ausbau des Radwegenetzes unzufrieden sind. Die jüngste repräsentative Umfrage der Landeshauptstadt Dresden zeige zum Beispiel die Unzufriedenheit über den Ausbau des Radwegenetzes. Im Rahmen der kommunalen, alle zwei Jahre stattfindenden Umfrage stellte die Landeshauptstadt mehr Fragen zum Radverkehr als bei den vorangegangenen Umfragen.
21 Prozent der Befragten gaben in der oben beschriebenen Umfrage an, dass ein „verbesserungswürdiges Fahrradwegesystem“ das zurzeit größte Problem in Dresden sei. Damit rückt die Verbesserung des Radnetzes bei den Dresdnern auf Platz zwei der größten Probleme vor; nur getoppt durch die hohen Mieten, die das größte Problem darstellen.
Die Unzufriedenheit mit der Radinfrastruktur zeigt sich aber nicht nur Dresden. Ähnliche Erhebungen in Leipzig und Chemnitz brachten 2019 auch ähnliche Ergebnisse: Nur 33 Prozent der Befragten in Leipzig zeigen sich mit den Radwegen in ihrer Stadt zufrieden zu sein, in Chemnitz waren es nur 14 Prozent. In der Leipziger Umfrage sagten 51 Prozent der Befragten, dass Radfahren für sie die beste Form der Fortbewegung sei. In Dresden nutzen 22 Prozent der Befragten das Fahrrad täglich und rund die Hälfte mindestens einmal pro Woche. 
58 Prozent finden, dass Leipzig zu wenig fürs Rad tut
Die kommunalen Umfragen verdeutlichen, dass das Fahrrad an Bedeutung gewinnt, aber der Radnetz-Ausbau hinterherhängt. Besser ausgebaute Fahrradwege (64 Prozent), mehr straßenunabhängige Routen und Radschnellwege (66 Prozent) sowie genügend sichere Fahrradabstellmöglichkeiten (61 Prozent) wären für die Leipziger Gründe, das Rad häufiger zu nutzen. 58 Prozent finden, dass in Leipzig zu wenig oder sogar viel zu wenig für den Radverkehr getan wird. 2017 lag der Wert noch bei 40 Prozent.
Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen, sagt: „Die Ergebnisse lassen keinen Interpretationsspielraum zu: Das Fahrrad gewinnt an Bedeutung, aber beim Radnetzausbau hängen die Städte hinterher. Die Wünsche der Menschen nach sicherer und einfacher Mobilität gewinnen zunehmend auch politisch an Bedeutung.“


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