HDE-Bilanz und Vorschlag für Kaufimpuls 29.03.2021, 10:40 Uhr

100 Tage Lockdown sorgen für große Verluste im Einzelhandel

Verzweifelte Lage bei vielen Händlern nach 100 Tagen Lockdown: Der geschätzte Umsatzverlust beläuft sich laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) auf 35 bis 40 Milliarden Euro. Jetzt kommt der Vorschlag, jedem Bürger 500 Euro auszugeben, um den Konsum anzukurbeln.
Nach wie vor prägen geschlossene Geschäfte das Bild der Innenstädte.
(Quelle: Pixabay)
Der HDE sieht einen großen Teil des Einzelhandels branchenübergreifend in existenziellen Schwierigkeiten. Nach wie vor gebe es keine realistische Öffnungsperspektive und auch die staatlichen Corona-Hilfen seien noch immer nicht ausreichend. Der Verband fordert deshalb Nachbesserungen und zielgenauere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.
Nach einer HDE-Schätzung könnte der vom Lockdown betroffene Einzelhandel seit dem 16. Dezember zwischen 35 und 40 Milliarden Euro Umsatz verloren haben. Die erneute Verlängerung des Lockdowns bis 18. April sorgt pro geschlossenem Verkaufstag für weitere Verluste von bis zu 700 Millionen Euro.
„Viele Nicht-Lebensmittelhändler konnten seit dem 16. Dezember 2020 die Türen ihrer Geschäfte nicht mehr öffnen. Einige durften zwar kurzzeitig mit Terminvereinbarung für ihre Kunden da sein, die Koppelung der Corona-Maßnahmen mit den derzeit steigenden Inzidenzzahlen aber verhindert diese Möglichkeit wohl zeitnah für die meisten wieder. Im Ergebnis sind bis zu 120.000 Geschäfte in Existenzgefahr. Mit den Unternehmen wanken ganze Innenstädte“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Zuletzt hatten Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts und eine aktuelle Studie der TU Berlin gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für Ansteckungen im Einzelhandel eher niedrig ist. Der Untersuchung der Universität zufolge hat die Schließung des Einzelhandels nur eine sehr geringe Dämpfungswirkung auf den R-Wert. Genth: „Die Branche darf nicht weiterhin aus symbolischen Gründen die Hauptlast bei der Bekämpfung der Pandemie tragen. Die Händler brauchen eine zeitnahe und realistische Öffnungsperspektive.“
Der HDE fordert zudem schnelle Aufstockungen bei den Corona-Hilfen für Unternehmen. Genth: „Die Gelder stehen nach wie vor weitgehend im Schaufenster der Ministerien und kommen nicht ausreichend dort an, wo sie gebraucht werden.“ Die erneute Verlängerung des Lockdowns habe den Hilfsbedarf weiter erhöht.
Handelsverband schlägt 500-Euro-Einkaufsgutscheine vor
In den USA schnürt Präsident Joe Biden ein Konjunkturpaket im Umfang von rund 1,9 Billionen US-Dollar (rund 1,6 Billionen Euro), was eine Pauschalzahlung von 1.400 US-Dollar für alle US-Bürger bedeutet. Genth plädiert dafür, an jeden Bürger in Deutschland einen Konsumgutschein auszugeben, um die Wirtschaft nach der Krise wieder anzukurbeln. „Ein zusätzliches Einkommen von 500 Euro je Einwohner würde einen Nachfrageimpuls von bis zu 40 Millarden Euro bedeuten“, erklärte Genth im Handelsblatt.
Die Ausgabe dieser Konsumgutscheine mache aus seiner Sicht dann Sinn, wenn die Pandemie wieder besser unter Kontrolle ist und die Menschen wieder Lust auf einen entspannten Einkaufsbummel haben. Bürger und Unternehmen bräuchten dann ein schnelles und klares Aufbruchssignal für die Zeit nach der Krise. Nach Genths Vorstellung dürfe das zusätzliche Einkommen nicht mit anderen Transfers verrechnet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse der Haushalte schlug er für die Auszahlung ein mehrgleisiges Vorgehen vor. Arbeitnehmer könnten das Geld über die Lohnabrechnung erhalten. Über die Anzahl der Kinderfreibeträge könnten auch Minderjährige erfasst werden. Die Finanzämter würden dann eine Erstattung an die Arbeitgeber vornehmen. Für Rentner wäre eine Auszahlung über die Rentenkasse am einfachsten. Transferempfänger ließen sich über die Arbeitsämter erreichen. Hier sei über das anzurechnende Kindergeld auch die Anzahl der Minderjährigen bekannt. Freiberufler, Selbstständige, andere Unternehmer und sonstige Personen könnten ein ähnliches Antrags- und Auszahlungsverfahren nutzen, wie es für die Soforthilfen an Soloselbstständige entwickelt worden sei. Eine Einzelfallprüfung auf Bedürftigkeit vor der Auszahlung der Konsumgutscheine lehnte Genth als zu bürokratisch ab. Es gehe um ein großes und deutliches Signal für einen Neubeginn nach der Corona-Krise. Gewisse Unschärfen müssten dabei wohl oder übel in Kauf genommen werden.


Das könnte Sie auch interessieren