Handels- und Handwerkskammern 01.03.2021, 08:55 Uhr

Fachhändler wehren sich gegen Kammerzwang

Fachhändler gehören Handelskammern kann und müssen dafür bezahlen. Der Widerstand einiger Fachhändler regt sich nicht nur gegen die Beiträge.
Die kostenpflichtige Zwangsmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern ist bei einigen Fahrradfachhändlern umstritten.
(Quelle: Quelle: FJS Fotografie Josh Schlasius/IHK Wiesbaden)
Nach einem mehr als 13-jährigen Prozess hat ein Mitglied des Bundesverbandes für freie Kammern (BFFK) im Dezember erreicht, dass die IHK Nord Westfalen (Münster) aus dem IHK-Dachverband DIHK austreten muss. Auch die IHK Mittleres Ruhrgebiet (Bochum) hat nun - ohne selbst direkt mit einer Klage konfrontiert zu sein - den Austritt aus dem IHK-Dachverband erklärt und damit den Reformdruck auf den unter Fachhändlern umstrittenen Dachverband DIHK erhöht. 
Der ehemalige VSF-Geschäftsführer Albert Herresthal sieht darin direkte und indirekte Vorteile für den Fahrradfachhandel. Herresthal erklärt gegenüber SAZbike: „Die Kammern – vor allem die IHKs und der DIHK – haben traditionell eine sehr konservative Wirtschaftspolitik vertreten. Auch in der Energie- und Verkehrspolitik gehörten sie immer zur Betonfraktion. Das hat vielen Unternehmen, die sich der Energie- und Verkehrswende verschrieben haben, oft die Zornesröte ins Gesicht getrieben, zumal sie diese rückwärts gerichtete Politik als IHK-Zwangsmitglied auch noch mitzufinanzieren gezwungen waren. Der Dachverband DIHK ließ es an der gebotenen politischen Neutralität vermissen und trat als Gegenspieler zu den Interessen einiger der eigenen Mitglieder auf.“ Der VSF ist seit vielen Jahren Mitglied im Bundesverband für freie Kammern (BFFK).
Herresthal erhofft sich mit dem BFFK eine strengere Kontrolle der Kammern, besonders bei Finanzfragen. Gewerbesteuerpflichtige Unternehmen, also auch Fahrradhändler, müssen nämlich Mitglied in der Industrie- und Handelskammer (IHK) sein. Wer auch noch eine Werkstatt betreibt, etwa zur Reparatur oder zur Montage von Kompletträdern, muss zusätzlich auch Mitglied in einer Handwerkskammer (HWK) sein. Diese Doppelmitgliedschaft ist gesetzlich vorgeschrieben, erklärt der BFFK-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus gegenüber SAZbike. Damit bestehe auch eine Beitragspflicht. Ein erheblicher Unterschied bestehe in der Höhe der Beiträge für die IHK und die HWK. 
Boeddinghaus erklärt: „Der Gesetzgeber hat für die Doppelmitgliedschaft vorgesehen, dass die Mitglieder dann nicht beide Mitgliedschaften voll zahlen müssen, sondern anteilig an die IHK und die HWK bezahlen. Handwerkskammern sind aber viel teurer als Industrie- und Handelskammern. Wer also nur Mitglied in einer Handwerkskammer ist, kann über die anteilige Berechnung durch den Beitritt in die IHK erheblich Geld sparen.“ Boeddinghaus weist darauf hin, dass die Beitragshöhe sich nicht am Umsatz orientiert, sondern am Ertrag. Die Höhe der Beitragsveranlagung schwankt bundesweit enorm. „Bei einem Betrieb mit 100.000 Euro Umsatz im Jahr kann dies leicht ein vierstelliger Betrag sein“, so Boeddinghaus. 
Damit kennen sich nach Boeddinghaus‘ Einschätzung allerdings nur wenige Steuerberater aus. Viele Betriebe zahlen aus Unkenntnis also den vollen Beitrag an beide Kammern. „Wer das prüft kann erhebliche Beitragsrückerstattungen erwirken“, so Boeddinghaus. 
Dabei könnten die Handwerkskammern recht einfach erkennen, ob eine Doppelmitgliedschaft vorliegt, und zwar an der Gesellschaftsform: Eine Gmbh und eine OHG werden oft als Rechtsform gegründet, die durch gewerbliche Tätigkeit zu einer Mitgliedschaft bei der IHK führt. Das ist nicht immer so, aber oft ein deutlicher Indikator, kritisiert Boeddinghaus. 
Sein Vorwurf an die Handwerkskammer: „Die wollen die Betriebe dazu gar nicht beraten, weil sie dann weniger Mitgliedsbeiträge kriegen.“ Rechtlich ist das zwar einwandfrei, weil die Betriebe dazu in einer gesetzlichen Bringschuld gegenüber den Kammern stehen. Es entspricht aber nicht den Interessen der Mitglieder, deren Rechte die Kammern doch vertreten wollen. Außerdem dürfen die Kammern nur dann Beiträge erheben, wenn sie nicht über anderweitige Mittel verfügen, so Boeddinghaus. Dies sei aber oft der Fall. „Auch darum haben wir bereits oft erfolgreich geklagt, hier muss jedoch jeder Betrieb einzeln aktiv werden“, erklärt er.
Mehr dazu wie auch Berichte von Fachhändlern, die geklagt haben, bald in der gedruckten SAZbike.


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