Ispo-Aussteller kritisieren Nicht-Aussteller 07.06.2024, 09:24 Uhr

„Wenn das so weitergeht, dann wird die Messe nicht überleben“

Die OutDoor by ISPO 2024 ist Geschichte. Was auch bleibt, sind Aussteller, die sich über ihre abwesenden Kollegen aus der Branche ärgern – die aber wiederum als Besucher vor Ort waren. Sechs Meinungen zur Situation rund um die Messe.
Von 3. bis 5. Juni 2024 fand die OutDoor by ISPO in der Messe München statt.
(Quelle: Florian Bergener)
Beim Rundgang über die OutDoor by ISPO hat SAZsport Aussteller gefragt: Warum seid ihr hier, und wie denkt ihr über eure Kollegen, die nicht ausstellen, aber als Besucher auf der Messe sind?

Jan Lorch, Geschäftsleiter CSR & Vertrieb Vaude
Quelle: Florian Bergener
Jan Lorch, Geschäftsleiter CSR & Vertrieb Vaude

Wir haben uns für eine Ausstellung entschieden, weil wir eine Messe als Treffpunkt der Branche mit Industrie, Handel und Verbänden wichtig finden. Du bekommst unheimlich viel Input in kurzer Zeit auf engem Raum, was grundsätzlich effizient ist. Somit hast du deine Budgets auch gut eingesetzt. Die Qualität der Meetings mit Händlern, speziell den Key Accounts, war immer gut. Du kannst hier sozusagen 70 bis 80 Prozent deines Umsatzes treffen.
Die OutDoor by ISPO ist ein wichtiges Format, das wir erhalten sollten. Sie lebt aber davon, dass die Händler hierher kommen, damit die Qualität der Meetings erhalten bleibt. Und das sehe ich schon als bedrohlich an, weil die Händler nur dann kommen, wenn eine kritische Masse an Ausstellern erreicht ist. Die finanzielle Bürde der Messe tragen die Aussteller. Ich habe kein Verständnis, wenn Kollegen die Plattform nutzen, um viele Kontakte zu knüpfen, aber selbst nicht ausstellen. Mir fehlt die Solidarität in der Outdoor-Branche, speziell unter den Mitgliedern der EOG. Die EOG macht in vielen Bereichen wichtige Arbeit und bietet viele Leistungen (Kooperationen, Nachhaltigkeit), und die Tatsache, dass sich der Verband stark aus den Messen finanziert, um diese tollen Projekte zu ermöglichen, wird dann gar nicht gesehen. Da fühle ich mich als Vertreter einer Marke und als einer der Vorstände der EOG im Stich gelassen, was das Commitment gerade der großen Marken anbelangt.

Erik Møller, CEO Nordisk
Quelle: Florian Bergener
Erik Møller, CEO Nordisk

Auch wenn derzeit die Phase für die Outdoor-Branche schwierig ist, dreht sich die Welt weiter. Die jetzige Lage ist für uns eigentlich ein Zeichen, dass wir uns umstellen und umdenken müssen. Den Endverbraucher gibt es ja, er geht nach wie vor nach draußen in die Natur – vielleicht mehr als je zuvor. Wenn man Stimmen aus der Branche hört (auch von Marken, die nicht hier sind), dann könnte man glauben, es gäbe kein Morgen. Wir haben uns entschlossen, hier zu sein, weil die OutDoor by ISPO immer noch der größte Marktplatz für Händler, Einkäufer, „Zauberer“, Storyteller ist. Ich werde nicht schlauer, wenn ich in meinem Büro vor meinem Laptop sitze, sondern ich muss raus, um zu spüren, was sich im Markt tut.
Grundsätzlich habe ich schon Verständnis für Marken, die hier nicht ausstellen. Viele müssen sparen, wir tun das auch dadurch, dass der Stand anders aufgestellt ist. Es wäre aber wichtig, dass wir als Branche zusammenhalten. Keiner von uns ist groß genug, um zu sagen: Ich regele das alles selbst. Ich denke, es ist gut, hier präsent zu sein, und je mehr Marken das auch so machen würden, desto besser würden wir alle dastehen.

Martin Esslinger, Geschäftsführer Ortlieb
Quelle: Florian Bergener
Martin Esslinger, Geschäftsführer Ortlieb

Natürlich war das Budget eine Frage, aber wir brauchen als Branche einfach eine Leitmesse, wo wir alle zusammenkommen, um uns zu treffen und auszutauschen (auch international). Es geht auch um Produkte, aber das gerät immer weiter in den Hintergrund. Zwischen und auf den Gängen passiert so viel, und so etwas geht bei regionalen lokalen Messen komplett verloren. Daher haben wir uns entschieden, der Messe die Stange zu halten. Das Konzept muss sich aber verändern, weiterentwickeln. So, wie es jetzt ist, wird die Messe nicht überleben.  
Ich finde es grundsätzlich schwierig, dass Marken nicht ausstellen, sie aber besuchen. Scheinbar hat die Messe dann doch noch eine Wichtigkeit für diese. Das zeigt, dass eine Messe gebraucht wird, sonst wären die Marken ja nicht hier. Es geht auch nicht darum, die Budgets ausgeben zu müssen wie früher.

Firuz Hamidzada, CEO Maul Sport
Quelle: Florian Bergener
Firuz Hamidzada, CEO Maul Sport

Von den meisten Händlern wie auch Markenkollegen, mit denen wir sprechen, kommt immer das Gleiche: Solch eine Plattform braucht die Branche. Natürlich gibt es die Verbandsmessen, aber es sind da draußen ja nicht nur Verbandshändler unterwegs. Die freien Händler wollen sich ja auch irgendwo informieren. Ich habe leider kein Verständnis dafür, dass es für viele große Marken keine Bedeutung hat, so eine Plattform zu unterstützen. Wir als kleine Marke sind hier präsent, und das relativ groß, weil wir zu dieser stehen.
Das Problem ist das Henne-Ei-Prinzip: Wenn die großen Marken nicht hierher kommen, dann kommen die Händler nicht. Kommen die Händler nicht, dann stirbt so eine Plattform – die aber alle aus der Branche brauchen. Vor sechs, sieben Jahren war das noch anders: Da konnte der Händler ein, zwei Tage auf der Messe verbringen und sich über alle Marken informieren, die er im Sortiment führt – welche neue Farbkonzepte sie haben, welche Strategie gefahren wird, wie sie die Händler abholen, welchen Mehrwert sie diesen in der Saison bieten.
Dass viele Marken aber als Besucher da sind, finde ich sch****. Ich sehe die Gesichter, aber kein Engagement für die Messe. Dafür zahle ich dann als kleinere Marke, damit die ihre Kunden hier treffen können. Unsere Budgets sind nicht so üppig im Vergleich zu anderen Marken. Wir sehen es aber trotzdem als Pflicht, hier zu erscheinen und unseren Händlern eine Plattform zu bieten.
Um die Messe muss man sich ziemlich große Sorgen machen. Wenn das so weitergeht, dann wird die nicht überleben. Es wird vielleicht nicht ausreichen, dass ihr einige wenige Marken die Stange halten.

Jan Schapmann, Commercial Director Marmot
Quelle: Florian Bergener
Jan Schapmann, Commercial Director Marmot

Wir sind hier, weil wir mal wieder ein Lebenszeichen von uns geben wollen.  Es gibt immer mal wieder neue Produkte oder Produktgruppen von unserer Seite, die wir nicht nur bestehenden Kunden, sondern auch  potentiellen neuen zeigen möchten. Der Zeitpunkt für uns war dementsprechend gut, weil wir sowohl im Bereich Schlafsäcke als auch in den Bereichen Bereich Shells und Sportswear jeweils neue Themen und Produktfamilien haben, auf die wir ziemlich stolz sind. Die OutDoor by ISPO ist der perfekte Ort, um diese zu zeigen. So eine vergleichsweise kleinere Messe hat natürlich den positiven Effekt, dass die Händler nicht sechs Hallen begehen müssen, sondern alle Marken sehen können, die hier sind. Aber natürlich ist es nicht unser Anspruch, dass die Messe in einem so kleinen Rahmen stattfindet.
Dass einige große Hersteller fehlen, finde ich nicht unbedingt enttäuschend, sondern ich kann das nachvollziehen. Ich habe mich in der Vergangenheit schon dafür ausgesprochen, dass wir nicht zweimal im Jahr versuchen sollten, eine große Messe auszurichten. Dafür ist unsere Branche nicht groß und auch nicht innovativ genug. Das heißt: Ich würde sehr dafür plädieren, dass wir eine große Messe pro Jahr veranstalten. Dann können wir auch neue Produkte zeigen und sehen uns alle einmal im Jahr mit der Community – das ist gesund. Es nutzt sich auch ein bisschen ab, wenn man versucht, jedes halbe Jahr mit irgendwie „neuen“ Themen um die Ecke zu kommen. Lasst uns in einem Jahr eine Sommer- und in einem Jahr eine Wintermesse machen. Dann ist es für die Marken darstellbar und für den Händler attraktiv, weil er eben auch nicht nur Mini-Innovationen zu sehen bekommt. In anderen Branchen gibt es eine Messe nur einmal pro Jahr oder alle zwei Jahre oder gar nur alle fünf Jahre. Und ich glaube, das ist die Realität, in der wir als Outdoor-Branche leben müssen.

Andreas Schechinger, Geschäftsführer Tatonka
Quelle: Florian Bergener
Andreas Schechinger, Geschäftsführer Tatonka

Es ist schon komisch, dass so eine Frage überhaupt gestellt wird. Wir wollen unseren Händlern hier die Möglichkeit geben, sich einen Überblick über die Neuheiten und Produkte für die nächstjährige Kollektion zu verschaffen. Und offensichtlich habe viele unserer Mitbewerber diesen Fokus irgendwie verdrängt, vergessen, aufgegeben – keine Ahnung. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, wie man auf eine Fachhandelsmesse gehen kann und einen anderen Fokus haben kann als den Fachhändler.
Wir waren letztes Jahr auf der Winter-ISPO nicht präsent, und dementsprechend sind wir dort auch nicht aufgetaucht. Wenn wir nicht auf einer Messe ausstellen, dann halten wir uns auch nicht in irgendwelchen verborgenen gemieteten Hinterzimmern auf. Aber anscheinend fehlt es da bei einigen Firmen an einer grundlegenden Haltung. Die haben keine Konzepte mehr, was sie mit dem Fachhandel anfangen sollen. Auf der einen Seite wollen sie keine Zusammenarbeit mehr, auf der anderen Seite aber brauchen sie ihn aber auch. Wir als Familienunternehmen stehen zum Fachhandel. Es ist leider auch so, dass viele Aussteller hier meinen, sie könnten nur noch Konzepte zeigen. Die interessieren den Fachhändler nicht. Natürlich ist es wichtig zu zeigen, was an Marketing gemacht wird, aber die Hauptsache für den Fachhändler ist, sich in kurzer Zeit einen Überblick über die Branche mit ihren Produkten zu verschaffen. Und wenn die Hälfte nicht mehr auftaucht, obwohl auch die großen Marken in einer Gruppe sind, die die Messe trägt, dann sollte man langsam daran zweifeln, ob der Träger noch der richtige ist.
Allein als Marke kann man eine Branche nicht definieren. In den größenwahnsinnigen Chefetagen gibt es offenbar die Meinung, dass mit Geld alles gemacht werden kann – und das funktioniert halt nicht. Nur, weil sich ein Sammelsurium an Outdoor-Marken zusammengekauft wurde, kann man nicht einfach sagen: Wir sind so wichtig, an uns kommt keiner mehr vorbei. Das Traurige ist ja, dass wir ein weltweites Phänomen erleben: In den USA funktionieren solche Outdoor-Messen auch nicht mehr.



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