Mehrwertsteuersenkung 23.12.2021, 15:02 Uhr

Albert Herresthal fordert Verbände zu konsequentem Handeln auf

Albert Herresthal reagiert auf die verhaltenen Äußerungen von ZIV, VSF und VDZ zur nun ermöglichten Mehrwertsteuersenkung durch die EU-Finanzminister: Dieses langjährige Ziel der Fahrradbranche muss jetzt auch konsequent für Deutschland eingefordert werden.
Albert Herresthal
(Quelle: Informationsdienst Fahrradwirtschaft)
Albert Herresthal hat als VSF-Geschäftsführer von 1999 bis Anfang 2021 – und jetzt aktuell mit seinem Informationsdienst Fahrradwirtschaft – die Interessen der Fahrradbranche gegenüber der Politik vertreten. Für die von der Europäischen Union angekündigte Mehrwertsteuersenkung hat er seit langer Zeit sowohl auf EU-Ebene als auch gegenüber dem Bundesverkehrsministerium lobbyiert. Er findet, die Branche solle dies nun konsequent weiterverfolgen. Auf keinen Fall dürfe sich die Fahrradbranche jetzt in Widersprüche verstricken. „Letzte Äußerungen der Verbände – oder ihre Interpretation in der Presse – waren nicht hilfreich“, so Herresthal. Auch die Positionierung des ZIV, dass es der deutschen Fahrradindustrie in den letzten Jahren wirtschaftlich sehr gut ergangen ist, und daher eine forcierte Forderung einer Mehrwertsteuersenkung aus dessen Sicht nicht angebracht wäre, irritiert ihn.

Fahrradfreundliche Politiker brauchen Zuspruch aus der Branche

Noch im Sommer 2021 hatten ZIV und VSF eine Mehrwertsenkung und damit die Gleichstellung des Fahrrads mit dem ÖPNV gefordert – politisch ein wichtiges Signal, an diesem Ziel halten die Verbände auch fest. Der langjährige Branchenprofi weiß zudem zu berichten, dass die Mehrwertsteuerreduzierung eine langjährige Forderung aus vielen Bereichen der Branche ist, zu der es beim Vivavelo-Kongress ein klares Statement gab. Wichtig ist ihm: „Politiker sind auch Menschen, die Zuspruch brauchen. Wenn sie Forderungen aus der Fahrradwirtschaft aufnehmen, verdienen sie die öffentliche Anerkennung der Branchenverbände und keine Relativierungen. Schließlich ist die Branche auf konstruktive und vertrauensvolle Beziehungen in die Politik angewiesen. Das ist in diesem Fall wahrlich nicht gut gelaufen“, erklärt Herresthal.
Ähnlich wie es schon der ZIV, der VSF und der VDZ dargelegt haben, weist auch Herresthal darauf hin, dass politisch noch einiges zu tun ist, damit der EU-Plan seine Wirkung in Deutschland entfaltet: Der Beschluss der EU-Finanzminister setze den Rahmen, innerhalb dessen die einzelnen Staaten handeln könnten. Nicht alle Staaten würden überhaupt die Option differenzierter Mehrwertsteuersätze nutzen, so gelte in Dänemark nur ein einheitlicher Satz von 25 Prozent. „Entsprechend gibt es auch keinen Automatismus, dass die neuen Möglichkeiten der Mehrwertsteuerreduzierung auf Produkte und Dienstleistungen rund ums Fahrrad in allen Ländern eingeführt werden“, so Herresthal. Allerdings folge der aktuelle Beschluss der EU-Finanzminister nachvollziehbaren Argumenten, nämlich den jeweiligen Mehrwertsteuersatz an Klima- und Umweltauswirkungen zu knüpfen, im Sinne des „EU Green Deal“. Im Gegenzug werden bis 2030 auch Steuerermäßigungen gestrichen, wenn die sie betreffenden Produkte oder Dienstleistungen den EU-Klimaschutzzielen zuwiderlaufen. „Das Konzept hinter der Reform ist also durchaus vernünftig, daher sind die Chancen einer Umsetzung durch die Ampelregierung nicht schlecht – wobei ich in Deutschland frühestens mit einer Umsetzung Anfang 2023 rechne“, erklärt Herresthal.

Fachhandel könnte profitieren

Er erwartet, dass die Mehrwertsteuersenkung vielerlei positive Effekte entfalten kann: In jedem Fall wird der Verbraucher profitieren, aber es entstehen auch neue Spielräume im Hinblick auf die Eckpreislagen und bei den Netto-Stundensätzen in den Werkstätten. Eine Mehrwertsteuersenkung könnte mit dazu beitragen, Kosten- und Preissteigerungen aufzufangen und dem Fachhandel verbesserte Margen zu ermöglichen, um in neue Services zu investieren und Mitarbeitende besser bezahlen zu können, so der Fahrradexperte.

Mehrwertsteuersenkung auf Dienstleistungen

Unabhängig von Mehrwertsteuersenkungen auf Fahrräder und Teile haben Fachhändler im Gespräch mit SAZbike bereits vorgerechnet, dass alleine die Mehrwertsteuersenkung auf Werkstattleistungen soviel Geld sparen würde, dass selbst ein Teilbetrag der Ersparnis die angespannte Personallage entspannen könnte.



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