Kommentar 20.07.2022, 08:00 Uhr

Warum Radverkehrsförderung allein nicht ausreicht

Als erstes Ministerium in Bayern wurde das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz als Fahrradfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet. Tatsächlich überzeugt das Fahrrad-Engagement des Ministeriums rund um Staatsminister Glauber nur in Teilen.
Beim ADFC-Mittagsgespräch wurde das bayerische Umweltministerium als fahrradfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet. V.l.n.r.: Andreas Walter, Thorsten Glauber, Bernadette Felsch, Benno Riedl, Petra Husemann-Roew, Genevieve Cory.
(Quelle: ADFC Bayern / Laura Ganswindt)
Thorsten Glauber (Freie Wähler), bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, möchte mehr Menschen aufs Rad bringen, den öffentlichen Verkehr ausbauen und erneuerbare Energien fördern. Das gab er in seiner Rede beim 35. ADFC-Mittagsgespräch im Deutschen Museum Verkehrszentrum in München bekannt. Nachdem er in den Jahren 2018 und 2019 zwei mal mit einem Antrag auf ein Dienstradleasing-Angebot scheiterte, konnte das Ministerium schließlich ein eigenes Angebot zur Verfügung stellen. Die Mitarbeitenden des bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz können heute auf über 70 unterschiedliche Räder in zwei sicheren Abstellanlagen zurückgreifen und diese auch für gemeinsame Ausfahrten oder Ausflüge am Wochenende nutzen. Das Angebot soll auf nachgelagerte Ämter ausgeweitet werden. 

Auszeichnung als Fahrradfreundlicher Arbeitgeber

Für die Umsetzung dieses Projekts wurde das Ministerium nun als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ mit dem Siegel in Gold ausgezeichnet. Seit 2017 vergibt der ADFC die EU-weite Zertifizierung an Arbeitgeber, die sich dafür einsetzen, dass Beschäftigte verstärkt das Rad nutzen. Dazu zählen Maßnahmen wie geführte Radtouren in der Mittagspause, individuelle Streckenberatung oder Betriebsausflüge mit dem Rad. 
Bernadette Felsch, Vorsitzende ADFC Bayern, erklärt: „Mit unserer Zertifizierung ‚Fahrradfreundlicher Arbeitgeber‘ helfen wir Unternehmen und Institutionen, den Gesundheits-, Klima- und Umweltschutz zu verbessern. Denn wo die Rahmenbedingungen passen, steigen mehr Mitarbeitende für den Weg zum Job aufs Rad und das ist ja bekanntlich ganz besonders gesund und umweltfreundlich. Immer mehr Menschen entscheiden sich sogar ganz bewusst für Arbeitgeber, die attraktive Bedingungen für Radfahrende bieten. Das Umweltministerium ist das erste Ministerium in Bayern, das wir auszeichnen können - und sogar im ersten Anlauf schon in Gold!“

Radverkehrsförderung auch ernst meinen

Die Förderung von sicherem und attraktiven Radverkehr umfasst auch die Mobilität der Mitarbeitenden im Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Dass diese nun auf ein derartiges Radangebot zurückgreifen können, ist löblich und wird durch die ADFC-Auszeichnung anerkannt. Als sich Staatsminister Glauber jedoch nach seinem Vortrag zum Thema „Klimafreundliche Mobilität – wie bringe ich mehr Menschen aufs Rad?“  beim Mittagsgespräch den kritischen Fragen des Publikums stellt, kommen Zweifel auf, inwiefern Radverkehr als Teil einer nachhaltigen Mobilitätswende wirklich durch das Ministerium vorangetrieben wird.
Das Dienstradangebot ist ein erster, wichtiger Schritt. Aber auch hier gibt es Optimierungspotenzial, so könnte ein übergreifendes Mobilitätsbudget für alle Mitarbeitenden, das umweltfreundliche Verkehrsmittel bevorteilt, nicht nur für alltägliche Wege, sondern besonders auch bei Dienstreisen einen Anreiz schaffen, sich nicht mit dem (Dienst-)Wagen fortzubewegen. Noch ist man davon aber weit entfernt, wie ein Teilnehmender bedauert, obwohl das Bereitstellen von Diensträdern in Ministerien in der Neuauflage des Klimaschutzgesetzes sogar verpflichtenden festgeschrieben wird.

Die Autoprivilegien hinterfragen

Auf die Frage, ob der bayerische Staatsminister Glauber als Befürworter der Radverkehrsförderung auch schon für den Radentscheid Bayern (SAZbike berichtete) unterschrieben hätte, meinte dieser, er wolle den Wahlkampf der Parteien SPD und Linke nicht unterstützen und könnte daher nicht unterschreiben. Der Radentscheid ist eine Initiative des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Bayern, des bayerischen Landesverband des Verkehrs Club Deutschland (VCD) und den elf kommunalen bayerischen Radentscheiden. Unterstützt wird dieser vom Bund Naturschutz (BN) und fünf bayerischen Landesverbänden politischer Parteien (Bündnis 90/Die Grünen, SPD, ÖDP, Die Linke, Volt).
Abschließend sprach ein Mitglied des ADFCs Glauber darauf an, dass die Förderung des Radverkehrs nur einen Teil einer nachhaltigen Verkehrswende ausmacht. Wie viele andere Politiker auch vermied es Glauber vollständig über die Privilegien des Autos zu diskutieren. Der Teilnehmende machte darauf aufmerksam, dass das aktuelle Verkehrssystem ineffizient ist, denn die vielen privat-genutzten Pkw in Deutschland werden durchschnittlich nur zu 20 Prozent ausgelastet, stehen 23 Stunden am Tag im Stadt- und Landbild und stellen so eine Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Glauber reagierte auf diese Anmerkung defensiv mit einer Gegenfrage: „Was erzählen Sie einer Lehrerin, die von der Stadt an eine ländliche Schule versetzt wird und deshalb jeden Tag über 100 Kilometer zurücklegen muss?“. Mit dieser unbefriedigenden Antwort ließ er das Publikum zurück und bewies einmal mehr, dass für eine wirklich nachhaltige Verkehrswende noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.


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