Rad-Gesetz in Baden-Württemberg 12.03.2021, 13:30 Uhr

ADFC führt Rad-Dialoge mit der Politik

Der Regionalverband des ADFC in Baden-Württemberg führte kurz vor der Landtagswahl vier digitale Gesprächsrunden mit politischen Vertretern. Dabei wurde die Fahrradmobilität aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert.
Radwege in den Niederlanden als Vorbild für deutsche Städte und Kommunen?
(Quelle: ADFC)
Anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März hat der Regionalverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) vier Rad-Dialoge mit Vertretern der verschiedenen Parteien geführt. Dabei wurde die Rolle der Kommunen bei der Verkehrswende, das Radnetz in Baden-Württemberg sowie das Konzept der Vision Zero (keine Verkehrstoten und Schwerverletzten) besprochen.
„Braucht Baden-Württemberg ein Rad-Gesetz?“ Unter diesem Motto stand der letzte der vier Rad-Dialoge im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl. Initiiert wurde das Gespräch von der ADFC-Landesvorsitzenden Gudrun Zühlke und moderiert von Arne Jungjohann, Autor, Politikwissenschaftler und Mitinitiator der „Kidical Mass“ Stuttgart. Die drei Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein (Bündnis 90/Die Grünen), Thomas Dörflinger (CDU) und Ramazan Selcuk (SPD) stellten sich den Fragen des Moderators und der Live-Zuschauer auf Youtube sowie Twitter.
Lob und Kritik für die letzten vier Jahre
Zunächst wurde eine Bilanz der grün-schwarzen Landesregierung der letzten vier Jahre gezogen. Dörflinger zeigte sich zufrieden: „Wir haben ein Radlückenschlussprogramm beschlossen, wir sind beim Thema Radschnellwege vorangekommen und jetzt mit der Bundesförderung haben wir gemeinsam mit dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) insgesamt tolle Förderbedingungen, also Geld ist gerade genügend da. Da hat es schon einen ordentlichen Schub gegeben und das hat sich auch im Haushalt widergespiegelt.“ Selcuk ging teilweise mit: „Es bewegt sich schon etwas. Aber ich muss gestehen, dass das nicht mit der notwendigen Geschwindigkeit geschieht. Grün und Rot stehen hier immer für Radverkehr, aber Schwarz wird immer mehr zum Schwarzfahrer. Wir sehen die Planungen, aber in der kommunalen Umsetzung gibt es noch immer Defizite und die Landesregierung hätte da sicher mehr machen können.“ Katzenstein sieht eine positive Entwicklung: „Wir fördern den Radverkehr und die Kommunen intensiv. Mit dem LGVFG geben wir den Kommunen Fördermittel für Straßenbau, ÖPNV, Baumaßnahmen und Fuß- und Radverkehr. Wir hätten aber andere Sachen gerne anders gemacht oder anders gewichtet, was die Koalitionsvereinbarungen leider nicht immer zuließen.“
Zühlke sah das nicht ganz so positiv: „Ja, es geht in die richtige Richtung, aber der Radfahrer sieht draußen noch nicht sehr viele Erfolge. Fahrrad ist ein Querschnittsthema und wenn ich mir beispielsweise den Bereich Tourismus ansehe, dann hätte da viel mehr passieren können und müssen, weil der touristische Radverkehr ein wichtiges Element für die Tourismusstrategie in Baden-Württemberg ist. Auch beim Thema Verkehrssicherheit wird zu wenig gemacht, da brauchen wir einen Schwerpunkt, es müssen Maßnahmen gegen Unfallursachen ergriffen werden. Der ADFC fordert, dass der neue Landtag ein Rad-Gesetz beschließt und allen Akteuren klar macht, dass das ein Ziel für das ganze Land ist.“
Das große und schnelle Wachstum am Fahrradmarkt und die zunehmende Nutzung der verschiedenen Fahrradtypen sieht Katzenstein (Bündnis90/Die Grünen) als Grund für die Notwendigkeit eines Rad-Gesetzes. Er habe an dem Mobilitätswendegesetzentwurf selbst mitgearbeitet, in dem der Radverkehr einen großen Teil einnehmen wird. „Wir denken nicht nur an den Radverkehr, sondern auch an den Fußverkehr und ÖPNV. Aber ein Rad-Gesetz ist notwendig, weil wir als Land die Kommunen nur mit viel Geld motivieren können, Radverkehrsmaßnahmen zu treffen. Wir können sie aber nicht zwingen. Der ÖPNV ist eine Pflichtaufgabe, der Radverkehr nicht. Über so ein Gesetz können und wollen wir den Radverkehr auch zu einer Pflichtaufgabe machen. Damit lässt sich etwas bewegen.“ Der Radverkehrsanteil soll dabei auf 20 Prozent gesteigert und bei Bedarf nach Evaluation angepasst werden, da es schlussendlich auch um den Klimaschutz gehe.
Eine bessere Verknüpfung der Verkehrsträger
Wichtig sei, dass die Ziele verbindlich festgelegt werden, sodass die Städte bei der Abwägung der einzelnen Kreuzung nicht nachher anderen Zielen Vorrang geben können, forderte Zühlke (ADFC): „Mit einem Gesetz besteht eine viel größere Verbindlichkeit und es hilft auch, dass Thema Radverkehr in voller Breite anzusprechen.“ Dabei sei auch die Verkehrssicherheit für Radfahrer von zentraler Bedeutung, da sich mit Blick auf die Reduzierung der Verkehrsunfälle beinahe gar nichts zum Positiven verändert habe.
„Wir müssen alle verschiedenen Verkehrsträger mitdenken. Wenn wir ein festes Ziel vorgeben, können vielleicht auch nicht mehr Abwägungen untereinander vorgenommen werden. Eine solche Verpflichtung kann dann negative Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Ich traue unseren Kommunen und Landkreisen zu, dass sie das selbstständig schaffen und die vielen Fördergelder umsetzen können. Der Absolutheitsanspruch sollte reduziert und die verschiedenen Verkehrsträger miteinander verknüpft werden“, argumentierte Dörflinger (CDU) dagegen.
Auch der neue (und vorerst gescheiterte) Bußgeldkatalog kam zur Sprache und wurde von den Teilnehmern überwiegend positiv bewertet. Vergehen im Straßenverkehr müsse man mit mehr Druck und demnach härteren Strafen begegnen. Dafür brauche es jedoch auch mehr Personal, um entsprechende Kontrollen durchzuführen.
Abschließend wurden Konzepte im Ausland als Beispiel für deutsche Städte näher beleuchtet. Selcuk (SPD) zeigte sich von den Niederlanden beeindruckt: „Was mir sehr gut gefallen hat, ist die konsequente Trennung von Radwegen und Straßenverkehr und dazwischen auch noch Grünstreifen. Radurlaub in Deutschland ist noch lange nicht so ideal wie in den Niederlanden, da kann man sich noch eine Menge abgucken.“ Katzenstein hat in Vorarlberg Inspiration für das Wahlprogramm der Grünen gefunden. Er wolle landesweit frei vermietete Fahrradabstellboxen an Bahnhöfen einrichten, an denen man mittels Chipkarte sein Fahrrad sicher abstellen kann. Insbesondere Menschen mit hochwertigen und schweren Fahrrädern würde dies sehr helfen.
Den Bund sehen die Beteiligten bei den finanziellen Rahmenbedingungen in der Pflicht. Förderungen müsse man verstetigen und Planungskapazitäten erhöhen, denn gute Verkehrsplaner seien Mangelware. Aufgrund der finanziellen Situation durch die anhaltende Corona-Krise sieht Selcuk jedoch einige Projekte im Bereich der Mobilitätswende gefährdet. Zühlke fordert eine neue Straßenverkehrsordnung (StVO): „Wir brauchen grundsätzlich eine Straßenverkehrsordnung, die beim Menschen anfängt. Die aktuelle StVO fängt beim Auto an und baut alles darum herum. Das muss sich dringend ändern.“


Das könnte Sie auch interessieren