VSSÖ-Zahlen 26.05.2020, 09:12 Uhr

Österreichs Fahrradfachhandel meldet Rekordumsatz trotz gesunkenem Absatz

Österreichs Fahrradverband VSSÖ meldet stark steigenden Umsatz im Fahrradfachhandel bei leicht gesunkener Stückzahl. Die Corona-Krise hinterlässt tiefe Spuren.
Der steigende Anteil der Pedelecs geht mit steigendem Gesamtumsatz einher.
(Quelle: VSSÖ)
Die Fahrrad-Verkaufszahlen haben sich in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau eingependelt. 2019 wurden in Österreich 439.000 Fahrräder verkauft. Diese Anzahl umfasst alle Fahrräder, die im letzten Jahr von der inländischen Fahrradindustrie für den österreichischen Markt produziert wurden beziehungsweise die von den am Markt tätigen Marken importiert und an den österreichischen Fahrradfachhandel sowie den Sportfachhandel verkauft wurden. Das entspricht einem Rückgang von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der durchschnittliche Absatz in den 2010er-Jahren lag bei 413.500 Stück.
Statt immer weiter steigender Absatzzahlen ist eine Marktsättigung und Seitwärtsbewegung erkennbar: Kunden greifen vermehrt zu hochwertigen Materialien und höherpreisigen Produkten mit umfassender Ausstattung. Sportartikel werden technischer, individualisierter und digitaler. Dabei vertrauen die Konsumenten auf professionelle Beratung im Fachhandel. Ein Indikator dafür ist auch der hohe Anteil an Radhändlern und freien Händlern von schätzungsweise 50 Prozent. 
Durch diesen Qualitätstrend ist der Durchschnittspreis der Fahrräder 2019 um über 25 Prozent auf 1.585 Euro gestiegen. Gleiches zeigt sich auch bei den Elektrorädern: Der Durchschnittspreis liegt bei 2.809 Euro (plus vier Prozent). Der Umsatz mit Fahrrädern steigt dadurch auf 700 Millionen Euro (plus 20 Prozent) und beträgt erstmals über 25 Prozent des Gesamtumsatzes der österreichischen Sportartikelbranche (2,77 Milliarden Euro). 
Nachfrage nach E-Bikes steigt kontinuierlich 
Mitverantwortlich für den gestiegenen Umsatz ist der starke Absatz von E-Bikes. Pedelecs seien in der Breite angekommen, von einem Trend sei nicht mehr zu sprechen, so der VSSÖ. Mit 170.000 Stück kommen E-Bikes auf einen Marktanteil von 39 Prozent (plus sechs Prozent). Damit ist Österreich einer der stärksten Märkte in Europa und führend im deutschen Sprachraum (Schweiz 36,6 Prozent, Deutschland 31,5 Prozent). Mehr als zwei Drittel des Gesamtumsatzes mit Fahrrädern sind auf die E-Bike Verkäufe zurückzuführen (480 Millionen Euro, 69 Prozent). Unter den Pedelecs ist das Segment der E-Mountainbikes 2019 (77.432 Stück, plus 23 Prozent) am stärksten gestiegen. Dennoch liegen in absoluten Zahlen die E-Bikes mit STVO-Ausstattung (91.768 Stück) klar vor den E-Mountainbikes. 
Konsumenten setzen auf Beratungskompetenz, vor allem bei Kinder- und Jugendrädern
Der Verkauf von regulären, nicht elektrischen Fahrrädern sank von 2018 auf 2019 um 18 Prozent (2019: 196.224 Stück). Das ist auf die hohe Nachfrage nach E-Bikes zurückzuführen. Bei Kinder- und Jugendfährrädern wächst der Markt hingegen: 2019 wurden 71.997 (nicht motorbetriebene) Kinder- und Jugendfahrräder verkauft. Das entspricht einem Zuwachs von 5,5 Prozent. 
Besonders bei Kinder- und Jugendrädern setzten die Konsumenten auf die Beratungs- und Servicekompetenz des Sport- und Fahrradfachhandels – nicht zuletzt aufgrund des Sicherheitsaspektes. Diese Beratungskompetenz wird mit dem neuen, europaweit einzigartigen Lehrberuf Sportgerätefachkraft weiter forciert. Sportgerätefachkräfte bekommen eine kaufmännische und eine technische Ausbildung. So können sie technisch anspruchsvolle Produkte wie E-Bikes warten und reparieren sowie elektronische Einstellungen sogar per App vornehmen. 
Tragende Rolle von Fahrrad und E-Bike für nachhaltige Mobilitätswende 
Inzwischen fragen viele Unternehmen verstärkt Fahrräder als Jobräder für ihre Mitarbeiter an. Das lässt sich darauf zurückführen, dass E-Bikes seit 1. Januar 2020 vorsteuerabzugsfähig sind und ihre Privatnutzung vom Sachbezug befreit ist. 
Zusätzlich zur Beteiligung an der Gesetzgebung für die heimische Fahrradbranche, setzen der VSSÖ und die Arge Fahrrad klare Schritte, um neue Zielgruppen zu erschließen und Barrieren bei der Nutzung des Fahrrades zu identifizieren. Dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Energieagentur und der Mobilitätszentrale Burgenland eine Studie durchgeführt, bei der Pendler ihr Auto für zwei Wochen gegen ein E-Bike eintauschen. Mehr als ein Viertel der Teilnehmer haben sich nach der Testaktion ein eigenes E-Bike gekauft. Die Projektergebnisse zeigen, dass Pendler von den Vorteilen des E-Bikes überzeugt werden können, nachdem sie das Verkehrsmittel testen konnten. Um diese Zielgruppe tatsächlich zu erschließen, ist eine aufklärende und zielgerichtete Angebots- und Produktkommunikation notwendig. Zusätzlich bedarf es klarer Maßnahmen in Bezug auf die Infrastruktur (zum Beispiel Ausbau der Radwege). „Unserer Einschätzung nach ist in den nächsten Jahren ein Anteil von 50 Prozent der Pedelecs am österreichischen Gesamtfahrradmarkt durchaus vorstellbar – nicht zuletzt wegen des Vorsteuerabzugs für Unternehmen“, ist Gernot Kellermayr, Präsident des VSSÖ, überzeugt.
Prognose 2020: Corona-Krise schädigt den Fahrradmarkt stark 
Der Beginn der Corona-Krise in Österreich hatte massive Auswirkungen auf die Fahrrad-Branche. Im Monat vor Ostern werden üblicherweise etwa 50 Prozent aller Fahrräder verkauft. „Fahrradkäufe zu Ostern sind Anlasskäufe und werden nicht im Mai oder Juni nachgeholt. Das werden wir trotz des Ansturms auf einige wenige Geschäfte nicht mehr aufholen können“, meint Michael Nendwich, Geschäftsführer des VSSÖ.
Aufgrund der positiven Verkaufszahlen der letzten Jahre sind die Lagerbestände sehr hoch und mit teilweise bis zu 30 Prozent höheren Lagerkosten verbunden. Die Branche rechnet mit Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent im Sommer und bis zu 30 Prozent im Winter. „Am stärksten durch die Corona-Krise betroffen sind die Fachgeschäfte, viele kämpfen ums Überleben. Um die Zukunft der österreichischen Mobilität gesund und nachhaltig zu gestalten, braucht es jedoch mehr Fahrradgeschäfte und nicht weniger“, so Nendwich.


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