Mit Nachruf von Wolfgang Renner 30.03.2020, 12:40 Uhr

Carlson Reinhard ist tot

Der Fahrradjournalist und frühere „Tour“-Chefredakteur Carlson Reinhard ist tot. Sein Freund Wolfgang Renner erklärt, was Reinhard prägte. Und wie dieser die Fahrradwelt prägte.
Carlson Reinhard (links) im Interview mit dem Straßenprofi Stephen Roche, der damals (1987) die Tour de France, den Giro Italia und die Straßenweltmeisterschaft gewann.
(Quelle: Heinz Betz)
Carlson Reinhard wurde am 28. Januar 1953 in Köln geboren und ist am 7. März 2020 verstorben. Er wurde 67 Jahre alt. Aufgewachsen in Bochum und Duisburg studierte er nach dem Abitur in Freiburg Philosophie und Soziologie. Seine Magisterarbeit trug den Titel: „Die Gefangenschaft des Menschen in sich.“ Nach seinem Studium in Freiburg verbrachte er mehrere Monate in Kanada und arbeitete dort an einem Projekt der Cree-Indianer in Ontario mit. In den 70er Jahren verlangten solche Engagements vermutlich mehr Eigeninitiative als heute. Diese Zeit hatte Reinhard anscheinend stark geprägt, so der Eindruck des heutigen „Tour“-Chefredakteurs Thomas Musch, auch wenn der weltläufige Carlson Reinhard damals über seine Erlebnisse nicht allzu viele Worte verlor.
1978 bewarb Reinhard sich dann als Redakteur bei der „Tour“, damals noch mit Redaktion in Reutlingen beim Lütze-Verlag. Sein Bewerbungsschreiben trug den Titel „Der Flug der Wildgänse“, was für eine Stelle bei einem Radsportmagazin außergewöhnlich war und ist und vielleicht Reinhards außergewöhnliche Person spiegelte. Schnell stieg Carlson Reinhard zum Chefredakteur auf, und interviewte dort alle Größen des Radsports. Unter ihm wuchs „Tour“ kontinuierlich und wurde immer populärer. Auch dank des Mitarbeiters Wolfgang Renner.
Dieser ist heute Geschäftsführer des Herstellers und Großhändlers Merida & Centurion Germany (Magstadt) und pflegte bis zuletzt eine Freundschaft zu Carlson Reinhard. Wolfgang Renner erinnert sich: „Carlson hat dem Radsport wunderbare neue Impulse gegeben. Er hatte die Gabe, eine Radsportzeitschrift nicht nur mit rein sportlichen und technischen Artikeln zu füllen. Die philosophischen Lehren von Adorno und Castaneda spiegelten sich in seinen Texten wider. Auch Renn- und Reiseberichte konnte er so schreiben, dass sich der Leser in das Geschehen hineinversetzt fühlte. Seine Reiseberichte waren von einer Tiefe beseelt, die den Leser in ihren Bann zogen.“ Reinhard habe Sehnsüchte erweckt, so dass der Leser diese Landschaft, diese Gebirgspässe mit dem Fahrrad erleben wollte.
1984 wurde „Tour“ vom damaligen Atlas-Verlag übernommen. Die Redaktion wurde ausgelagert und Carlson Reinhard firmierte als das selbstständige Redaktionsbüro Tour-Press, das 1986 nach München übersiedelte. Ab 1990 übernahm das Redaktionsbüro auch die damalige Händlerzeitschrift „Zweirad-Magazin“. Als der Atlas-Verlag die Redaktion 1993 ins Haus integrieren wollte, trennten sich die Wege von Carlson Reinhard und „Tour“. Er arbeitete danach weiter als Autor und Journalist, unter anderem für die damalige Händlerzeitschrift „Zweirad-Magazin“, die McDonalds Kinderhilfe und die Hauszeitschrift der ZEG.
2019 zog Carlson Reinhard von seinem langjährigen Wohnsitz bei Augsburg nach Wutha-Farnroda (Thüringen), in der Nähe von Erfurt um. Eine längere Zeit in seinem neuen Heim war ihm nicht vergönnt. Renner richtet sich an seinen Freund: „Mein Freund Carlson Reinhard ist nun auf der anderen Seite des Lebens. Sei behütet.“



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