
EUROBIKE AM SCHEIDEWEG – WER FÜHRT DIE BRANCHE?
Lieber SAZbike Leser,
Herzlich willkommen zum SAZbike Premium Newsletter!
Wir freuen uns sehr, dass Du unser neues Format abonnierst. Ab sofort erhältst Du einmal pro Woche pointierte Einblicke und hintergründige Analysen zu einem ausgewählten Thema der Fahrradbranche.
Zum Auftakt starten wir mit einem heiß diskutierten Thema: Das Ende der Kooperation zwischen ZIV und Zukunft Fahrrad auf der einen sowie der Eurobike auf der anderen Seite.
Wie kam es zu diesem Bruch? Welche Folgen hat er für die Branche? Und steht uns womöglich eine kleine Götterdämmerung bevor?
Diesen Fragen – und vielen weiteren – gehen wir in dieser Ausgabe auf den Grund.
Wir wünschen Dir viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf Deine Meinung. Schreib uns gern an redbike@saz.de oder oder auf unserer Profilseite auf LinkedIn.
Viele Grüße
Alexander Schmitz

Alexander Schmitz
Chefredakteur SAZbike
Erst Forderungen, dann Reißleine

Die Leitmesse wankt, die Verbände ziehen die Reißleine, die Branche sucht ihren Treffpunkt: ZIV und Zukunft Fahrrad haben die Zusammenarbeit mit der Eurobike beendet – mit einem klaren Forderungskatalog für 2026. Jetzt geht es um Macht, Deutungshoheit und darum, wer die Agenda bestimmt: Messegesellschaft oder Industrieverbände. Für Handel und Industrie ist das mehr als ein Messestreit – es ist ein Kampf um die künftige Infrastruktur der Branche.

Hintergrund & Anlass
Die Eurobike steckt in einer Vertrauens- und Relevanzkrise. Mehrere große Marken fehlen, Besucherzahlen sanken, und die Diskussion über Ausrichtung und Programm polarisiert. In dieser Lage haben ZIV und Zukunft Fahrrad die Kooperation beendet – unter Verweis auf einen bereits zuvor mit Mitgliedern erarbeiteten Forderungskatalog. "Wir haben uns diese gemeinsame Entscheidung nicht leicht gemacht und wir bedauern sehr, dass sie notwendig ist. Es ist wichtig, dass wir jetzt Klarheit für alle Seiten schaffen", betont Dirk Zedler, Zukunft Fahrrad-Vorstandsmitglied und Gründer und Geschäftsführer der Zedler-Gruppe. Ziel der Verbände: eine Plattform, die Produkt, Innovation und Austausch enger verzahnt – ob große Messe oder modulare Formate, soll der Dialog mit den Unternehmen entscheiden.
Parallel verdichtete sich über das Messejahr 2025 ein Trend: Kompakte, klar positionierte Formate liefen den Großmessen den Rang ab – mit Nähe, Effizienz und besserem Timing. Zugleich wurden Eurobike-Schwächen beim Kosten-Nutzen-Verhältnis und bei der Standortbewertung benannt.
Die Messegesellschaft widerspricht dem Vorwurf der Bewegungslosigkeit und verweist auf bereits angestoßene Änderungen: kürzere Dauer, neue Beteiligungsoptionen, Neuausrichtung des Kongressprogramms, ein Beirat unter Vorsitz eines Messe-Frankfurt-Managers. Der Vorstoß der Verbände habe dennoch überrascht – man wolle die Eurobike gemeinsam mit Industrie, Handel und Politik weiterentwickeln.

Was ist geplant? – Der Kern des 10-Punkte-Papiers
Zeitliche Einordnung: Der 10-Punkte-Katalog entstand am 15. Juli 2025 in einer gemeinsamen Feedback-Runde von ZIV und Zukunft Fahrrad (mit VSF-Beteiligung); die spätere Kündigung der Kooperation bezog sich u. a. auf diese Punkte.
Die Verbände definieren, was eine Leitmesse aus ihrer Sicht leisten muss. Hier Auszüge aus dem Forderungskatalog für 2026:
- Gleichwertige Inszenierung von Alltagsmobilität, Freizeit und Sport; die Vielfalt des Ökosystems (Logistik, Flotten, gewerbliche Nutzung, Familienmobilität, Sharing & Services) muss sichtbar werden.
- EPAC25 als Kern: Pedelecs bis 25 km/h gehören zum Herz der Messe – keine Ausgliederung in ein Parallelformat ("Mobifuture"). Verwandte Fahrzeuge (z. B. EPAC45, schwere E-Cargobikes) integriert, nicht abgetrennt.
- Weltleitmesse mit "European Footprint": Rückgewinnung globaler Key Player und klare Präsenz europäischer Marken – als Alleinstellungsmerkmal des Standorts Deutschland.
- Format & Beteiligung: Weg von Flächenmaximierung; modulare, skalierbare Auftritte (vom "Repräsentanz-Stand" bis Themenflächen), attraktives Preis-Leistungs-Modell angesichts gestiegener m²-Preise.
- Dauer & Programm: Drei Fachbesucher- plus maximal zwei Publikumstage; Kongress nur fokussiert auf wenige Trend-Säulen, übergangsweise 2026 minimalistisch.

Emotionale Debatte – Pro & Kontra

Pro (Verbände & Industrie-Rückhalt):
Die Entscheidung, die Zusammenarbeit mit der Eurobike zu beenden, wird von den Verbänden und führenden Unternehmen der Branche klar befürwortet. ZIV-Chef Burkhard Stork zeichnet ein deutliches Zielbild: "Wir wollen eine Plattform schaffen, die Produkte, Innovationen und Austausch wieder stärker miteinander verbindet." Ihm geht es nicht allein um eine klassische Ausstellung, sondern auch um neue, dialogorientierte Formate: "Neben einer klassischen Ausstellung denken wir an Formate wie Kongresse, Summits und stärkere thematische Schwerpunkte." Besonders wichtig sei ein echter Begegnungsort: "uns ein ,Lagerfeuer-Charakter': ein Ort, an dem die Branche miteinander spricht – nicht nur nebeneinander her."
Auch von Unternehmensseite kommt Rückendeckung: Ein führender Player wie Bosch Ebike Systems stellt sich offen hinter die Entscheidung der Verbände und hat bereits angekündigt nicht an der Eurobike 2026 als Aussteller teilzunehmen. Branchenveteran Dirk Belling kommentiert die Entscheidung von ZIV und Zukunft Fahrrad lakonisch mit "lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende."
VSF-Geschäftsführer Uwe Wöll sieht im Bruch einen historischen Einschnitt: "Die Beendigung der Partnerschaft von ZIV und Zukunft Fahrrad mit der Eurobike ist zweifellos eine Zäsur für die Branche." Was bislang gefehlt habe, war laut Wöll der offene Austausch bei der strategischen Ausrichtung: "Was uns seit Jahren fehlte war der offene Diskurs mit den Vertretungen der Marktteilnehmer zur grundlegenden Ausrichtung der Messe. Gemeinsame Workshops, konzeptionelle Arbeit, strategische Planungen – das hat es auf Führungsebene nicht gegeben." Für die zukünftige Ausgestaltung sieht er Handel und Lieferanten als aktive Mitgestalter: "Wir blicken nach vorne und sehen unsere Aufgabe darin, die Interessen des Fachhandels sowie die unserer Lieferanten bei einem Neustart einzubringen und am Gelingen für die gesamte Branche mitzuwirken."
Kontra (Messe & kritische Stimmen):
Vor allem auf LinkedIn wird emotional über das Ende der Zusammenarbeit diskutiert und spekuliert. Dabei überschreitet die Diskussion an manchen Stellen auch die Grenzen des guten Geschmacks, wenn von Verschwörungstheorien deutscher Verbände und Unternehmen fabuliert wird oder die Metapher einer "öffentlichkeitswirksamen Hinrichtung" verwendet wird.
Nichtsdestotrotz hinterfragen auf Social Media aktive Meinungsbildner wie Alex Thusbass (Hepha) und Bastian Dietz (Leatt) die Entscheidung, woraufhin sehr rege Diskussionen entbrennen, in denen sich die beiden Geschäftsführer Burkhard Stork (ZIV) und Wasilis von Rauch (Zukunft Fahrrad) mit zahlreichen Antworten sich ebenfalls beteiligen.
Derweil zeigt sich Fairnamic-Geschäftsführer Stefan Reisinger in einem offiziellen Statement überrascht von der Entscheidung der bisherigen Kooperationspartner und verweist auf die Bemühungen, die unternommen wurden, um die Eurobike für 2026 wie gewünscht zu verändern: "Unser Ziel ist es, gemeinsam mit der Branche und unseren Partnern aus Industrie, Handel und Politik die zentrale Plattform Eurobike kontinuierlich weiterzuentwickeln und als Leitmesse im nationalen und internationalen Kontext zu stärken." Stellt sich nur die Frage, ob die Messemache dazu noch die Gelegenheit bekommen, auch wenn aktuell fest mit einer Austragung der Eurobike 2026 geplant wird.

Zahlencheck – was die SAZbike-Umfrage sagt

Eine aktuelle SAZbike-Befragung unter Mitgliedsunternehmen von ZIV und Zukunft Fahrrad spiegelt den Riss, aber auch den Veränderungswillen:
Die Umfrageergebnisse unter den Mitgliedsunternehmen von ZIV und Zukunft Fahrrad machen den tiefgreifenden Stimmungswandel innerhalb der Branche deutlich. Über die Hälfte der Befragten – nämlich 61 Prozent – begrüßen den Ausstieg der Verbände aus der Kooperation mit der Eurobike ausdrücklich oder stimmen zumindest teilweise zu. Lediglich 13 Prozent sprechen sich explizit dagegen aus, während 26 Prozent neutral bleiben. Dieser Befund zeigt: Die Entscheidung zum Bruch trifft auf eine breite Akzeptanz und ist nur für eine kleine Minderheit wirklich umstritten.
Ein noch klareres Bild ergibt sich bei den Gründen für die Distanzierung: 71 Prozent der Teilnehmenden sehen Schwächen im konzeptionellen Ansatz der Eurobike als ausschlaggebend, 58 Prozent monieren die hohen Kosten, und 55 Prozent vermissen den Mehrwert der Messe. Diese Zahlen spiegeln wider, dass die Kritikpunkte zahlreich sind und sich viele Marktteilnehmer eine tiefgreifende Veränderung wünschen – es geht also längst nicht nur um Details, sondern um grundlegende Anforderungen an eine Leitmesse.
Nicht verwunderlich daher, dass der Ruf nach einer neuen Branchenplattform immer lauter wird: 84 Prozent der Befragten sprechen sich klar für eine neue Leitmesse aus, die den veränderten Bedürfnissen von Industrie und Handel gerecht wird. Offen bleibt allerdings noch, wie sich die Unternehmen künftig positionieren: Für die Eurobike 2026 gibt es derzeit keine klare Tendenz, denn 47 Prozent der Firmen zeigen sich unentschlossen in Bezug auf eine Teilnahme. Dem gegenüber stehen 33 Prozent, die eine Beteiligung bereits ausgeschlossen haben, und lediglich 20 Prozent, die die Eurobike weiterhin unterstützen würden. Das unterstreicht, wie groß die Unsicherheit und das Bedürfnis nach einer marktorientierten Neuausrichtung sind.
Ergänzend zeigt eine andere SAZbike-Umfrage aus diesem Jahr: Die Händlerinnen und Händler priorisieren messbar Direktkontakt zu Herstellern/Lieferanten (91,8 %), gute Erreichbarkeit (64,3 %) sowie Neuheiten & Tests (je >50 %); zwar besuchte etwas mehr als die Hälfte die Eurobike, aber gelobt wurden vor allem fokussierte Order-/Hausmessen. Das unterstreicht: Relevanz schlägt Reichweite – und Timing schlägt Show.

Was bedeutet das für Handel/Industrie?
- Planen Sie 2026 mit klaren Zielen pro Format (OEM-Sourcing, Händlerkontakt, Presse/Politik), nicht mit "wir sind halt da".
- Prüfen Sie modulare Präsenzmodelle: Repräsentanz-Stand, kuratierte Meetings, Test-Slots statt Flächenmaximierung.
- Bestehen Sie auf Compliance & Qualität – das schützt Markenwert und senkt Friktionskosten in der Nacharbeit.

Lösungsweg – oder neue Baustelle?

Der Forderungskatalog der Verbände adressiert die wunden Punkte: Profil, Format, Qualität, Politikfähigkeit. Er enthält Bausteine, mit denen eine Leitmesse wieder Zugkraft entfalten kann – sofern sie konsequent umgesetzt werden und Preis-Leistung, Terminierung und Governance stimmen. Die Eurobike-Antwort (Beirat, kürzere Dauer, flexible Modelle) zeigt, dass ein Veränderungsversuch da ist – doch offensichtlich kam dieser zu spät. Aktuell ist offen, ob und wie die Eurobike 2026 stattfinden kann und wie, wann und wo eine eigene Veranstaltung von ZIV und Zukunft Fahrrad stattfinden könnte.

Fazit & Diskussion
Die Branche steht vor einer Richtungsentscheidung. Für die einen ist der Verbände-Vorstoß überfällig, um eine realitätsnahe, europäisch geerdete Leitmesse neu aufzusetzen. Für andere ist er ein Schock, der mehr Fragen als Antworten aufwirft. Entscheidend wird, welche Schritte die Beteiligten nun als nächstes unternehmen, um eine zukunftsfähige Veranstaltung zu entwickeln, von denen alle in der Fahrradbranche profitieren.
SAZbike wird die Diskussion und die weitere Entwicklung in den nächsten Wochen eng begleiten. Das Titelthema von Ausgabe 19/2025 (erscheint am 1. Dezember 2025) wird weitere Erkenntnisse, Meinungen und Analysen vereinen.
Wie lässt sich eine faire, politisch sichtbare und zugleich wirtschaftlich tragfähige Branchenplattform schaffen – ohne in Flächenlogik oder Partikularinteressen zurückzufallen? Diskutiere mit uns auf LinkedIn.

Du willst mehr hiervon?
Dann jetzt den PREMIUM NEWSLETTER abonnieren.
Er liefert dir jede Woche:
✅ Tiefgreifende Marktanalysen und Trendprognosen
✅ Exklusive Interviews mit Branchenexpertinnen und -experten
✅ Strategische Einordnung aktueller Entwicklungen
✅ Kompakte Aufbereitung – in nur 10 Minuten Lesezeit