Umweltschutz vs. Kosten in drei Minuten 10.05.2024, 10:58 Uhr

Antje von Dewitz: „Nachhaltigkeit trägt wesentlich zu Wirtschaftserfolg bei“

Vaude steigert seinen Umsatz und senkt den Ausstoß von umweltschädlichen Emissionen. Antje von Dewitz erklärt in einem Kurzinterview Chancen und Grenzen der Nachhaltigkeit.
Antje von Dewitz
(Quelle: Vaude)
Letzte Woche gab Vaude bekannt, dass der Umsatz seit 2019 um 32 Prozent gestiegen ist, während die Treibhausgasemissionen um 30 Prozent gesenkt wurden. SAZbike hat dazu Geschäftsführerin Antje von Dewitz befragt.
SAZbike: Früher galt das Prinzip „Umweltschutz kostet Geld“. Würden Sie dem widersprechen? 
Antje von Dewitz: „Aus meiner Sicht ist es nicht der Umweltschutz, der mit Kosten verbunden ist. Das erscheint häufig nur so, da bei vielen Unternehmen die Kosten der von ihnen verursachten Folgeschäden von der Gesellschaft getragen werden. Sinnvoller, fairer und ja, nachhaltiger, ist es, wenn alle Unternehmen für die von ihnen verursachten Kosten Verantwortung tragen und sie selbst übernehmen. Da das bis heute öfter die Ausnahme als die Regel ist, wirken diese Kosten für Unternehmen, als seien sie ,Mehrkosten‘. So ist es für Unternehmen, die verantwortungsbewusst wirtschaften und im direkten (auch preislichen) Wettbewerb mit nicht nachhaltigen Marken stehen, häufig eine Pionierarbeit, solche Zusatzkosten zu integrieren.  
Gleichzeitig bin ich aber überzeugt davon, dass nachhaltiges Wirtschaften trotz dieser Herausforderung die relevante Business Disziplin unserer Zeit ist. Sie erhöht die eigene Zukunftsfähigkeit und Resilienz und fördert den wirtschaftlichen Erfolg. Es gibt bei den Menschen eine starke Sehnsucht danach, Unternehmen und Produkten vertrauen zu können. Wir entsprechen dem Zeitgeist und den Wünschen vieler Kunden und Kundinnen. Auch bei uns hat unsere nachhaltige Positionierung wesentlich zu unserem wirtschaftlichen Erfolg beigetragen.
Spannend ist noch der gezieltere Blick auf den Klimaschutz: Hier konnten wir viele Produzenten auch deshalb zum Mitmachen überzeugen, da wir durch die Aktionspläne aufzeigen konnten, dass sich ihre Investitionen beispielsweise in neue Färbeanlagen schnell durch geringere Energiekosten bezahlt machen. Das ist natürlich der Idealfall!“
SAZbike: Vaude spricht eine zahlungskräftige Zielgruppe an. Lässt sich der Vaude-Erfolg mit mehr Umsatz, bei weniger Emissionen auf Unternehmen mit preisorientierter Produktpolitik übertragen? Wo sind die Grenzen der Übertragbarkeit? 
Antje von Dewitz: „Auch wir stehen in einem engen preislichen Wettbewerb mit Eckpreislagen. Im Outdoormarkt gibt es ja kein ,Bio-Segment‘ wie in der Lebensmittelbranche, wo höhere Preislagen erwartet werden. Daher stellt unser nachhaltiger Weg auch für uns eine große Herausforderung dar. Die Umstellung auf recycelte Materialien verursacht uns beispielsweise höhere Kosten, obwohl wir damit Emissionen reduzieren, weniger Ressourcen verbrauchen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das bedeutet, die Herstellungskosten eines Bekleidungsstücks aus neu gewonnenem Kunststoff, der unseren Planeten stärker belastet, sind günstiger. Das ist absurd. Und es zeigt: Der wahre Preis spiegelt sich oft nicht im Kaufpreis wider, sondern wird von der Allgemeinheit getragen. So etwas könnte man beispielsweise durch einen CO2-Preis regeln, der sich auch in den Materialien widerspiegelt oder durch Anreize wie z.B. niedrigere Steuersätze für nachhaltige Produkte oder Services. Damit könnte man den nachhaltigen Konsum fördern, was nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch sozial gerechter wäre. 
Angesichts des Zustands unseres Planeten und der globalen Herausforderungen ist es unvermeidbar, dass Unternehmen stärker Verantwortung übernehmen für die Auswirkungen ihres Wirtschaftens, auch im Niedrigpreissektor. Wenn ein T-Shirt nur ein paar Euro kostet, kann ein solches Produkt nur unter ausbeuterischen Umständen für Menschen und Natur entstanden sein. Zudem verschärfen solche Billigpreise, die eben nicht die wahren Kosten widerspiegeln, den dramatischen Überkonsum an Textilien. Laut Greenpeace werden in Deutschland knapp 40 Prozent der gekauften Bekleidung nahezu nie getragen. Es gilt also überall bewusste Kaufentscheidungen für nachhaltige, langlebige Produkte zu fördern.  
Wir von Vaude unterstützen das durch unser ,Design for Life‘ Konzept, das den ökologischen Fußabdruck minimiert und ein möglichst langes Produktleben ermöglicht, von der ersten Produktidee bis hin zur Nutzungsphase. Dazu gehören Services wir unsere Reparaturangebote, unser Mietservice oder unser neuer Second Hand Onlineshop, die auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich sind.“  
SAZbike: Wie können andere Unternehmen von Vaude im Bereich Klimaschutz lernen? 
Antje von Dewitz: „In der Textilindustrie sind die Stellschrauben seit langem bekannt und gut beschrieben. Jedes Unternehmen kann direkt loslegen. Im ersten Schritt sollte eine Klimabilanz erstellt werden, um zu sehen, wo man steht, wo die größten Potenziale sind und welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden können. Dabei ist es wichtig, Nachhaltigkeit ganzheitlich anzugehen, die Zielen in der Unternehmensstrategie zu verankern und das ganze Unternehmen darauf auszurichten, vom Design über die Materialien und das Produktmanagement bis hin zur Instandhaltung und zum Personal.  
Der wichtigste Hebel ist die Auswahl der Rohstoffe, aus denen die Produkte hergestellt werden: Hier kann man sofort umsteuern auf recycelte und erneuerbare Rohstoffe. Der zweite Hebel ist die Energiewende: Zum einen am Firmensitz, wo sich Strom, Wärme, Mobilität auf erneuerbare Energien umstellen lassen und dadurch auch die Effizienz erhöhen und Verbrauch reduzieren werden, was unmittelbar Kosten einspart. Zum anderen aber auch ganz besonders in der globalen Lieferkette. Das zeigt der Erfolg unserer Klimastrategie: Wir haben es geschafft, unser weltweiten Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2023 im Vergleich zum Basisjahr 2019 um 30 Prozent senken, während der Unternehmensumsatz im gleichen Zeitraum um 32 Prozent stieg. Damit zeigen wir, dass es möglich ist, den Ressourcenverbrauch vom Unternehmenswachstum zu entkoppeln und den Ausstoß der CO2-Emissionen im Einklang mit wissenschaftsbasierten Klimazielen zu senken.  Entscheidend war auch hier das gemeinsame Engagement. Zum einen intern bei der Umstellung der eingesetzten Materialien in allen Produktgruppen, dann natürlich mit unseren Partnern in der Lieferkette und zum anderen unsere Zusammenarbeit mit neun weiteren Outdoor-Marken im Carbon Reduction Project der European Outdoor Group (EOG).
Im Rahmen unserer Vaude Academy unterstützen wir anderen Unternehmen auf ihrem Weg der Transformation mit unserer Erfahrung und unserer Expertise.“
SAZbike: Frau von Dewitz, vielen Dank für das Gespräch.



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